Seite - 22 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6
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Zaunkönig, achtsam, daß er den feinen Kragen vom weichsten Schwanenflanm, der den
Hag bekleidet, nicht streife, Spatz und Ammer hüpfen lustig an der Straße, nur die Krähe
krächzt verdrießlich, weil all die schimmernde Herrlichkeit sie nicht sättigt. Eine wundervolle
Klarheit der Luft läßt das Fernste nahe erscheinen. Über Kirchschlag nnd die Warte hin
flimmert die Schneepyramide des Ötscher, hoch ragen die Felsenthrone des Priel und des
Dachstein, die ganze lange Kette der Alpen bis zum Watzmann reiht sich an, deutlich hebt
sich das strahlende Weiß ihrer Schneefelder von dem Röthlichgran der schroffen Kalkwände,
auf denen der Wind den Schnee nicht liegen läßt.
Die warmen Strahlen der Mittagssonne setzen die Nebelmasseu über dem Flachland?
in Bewegung. Wie ein sturmgepeitschtes Meer aus geschmolzenem Edelmetall wogt und
schäumt der obere Rand der Nebelschichte, die breiten Wolkenschatten mildern hier nnd
dort das grelle Licht. Jetzt taucht für einen Augenblick der Kürnberg, der lauge Rücken
des Hausruck infelförmig heraus, — da kriecht ein Nebelball das Donauthal herauf und
hüllt ihn wieder ein. Nun steigen säulengleich Nebelmasseu empor, vom Winde aus-
gebreitet wie Palmenkronen. Wenn endlich die Sonne fern über dem Baierlande zur Rüste
geht, dann zieht ein roscnrother Schimmer von den Bergen her über die wogende See,
deren Wellen wie feurige Zungen an die Uferberge schlage», bis die sinkende Nacht Alles
in ihren bleigraueu Mantel hüllt.
Kaiser Max I., der sich gerne in Oberösterreich aufhielt, hatte Recht, als er das
Mühlviertel mit einem zusammengefalteten Reitermantel verglich. Eine dieser tiesen Falten
ist das romantische große Rottelthal, das sich von den fruchtbareil Douaugeläuden bei
Ottensheim als felsige ruinengeschmückte Schlucht hinauszieht, vorüber am hochgelegenen
Grammastetten, „mit der hohen Schule", wie deßhalb der Volkswitz sagt, bis Zwettl, vou
wo an es sich als breiteres Wiesenthal darstellt. Am waldigen Sternstein, nach dem
Blöckensteingebirge der höchstePnnkt des Mühlviertels, entspringt die große Rottet in breiter
Mulde. Durch luftigen Wald, dessen duukles Tannengrün freundlich durch eingestreute
Buchen und Bergahorne gennldert wird, führt der Pfad zum Gipfel. Laut rauscht bei
jedem Schritte das dürre Laub am Bodeu auf, Polster von Heidel- und Preiselbeeren,
Alpenhexenkraut und die breitblättrige Hainsimse, eine artenarme Flora von nordischem
Typus erfüllt die Schläge und Waldränder, schwellende Mooskissen sind über die Steine
am Quell gebreitet, die Trümmer der einstigen Gesteindecke, die als gewaltige Blöcke den
Kamm bedecken, sind mit bunten Flechten überkrustet. Der Sterusteiu selbst ragt als ein
imposanter Felsthurm über die Kronen der umgebenden Fichten empor, eine Balzhütte,
dem Fürsten Starhemberg wie auch die umliegenden Forste gehörig, schmiegt sich an ihn.
Eine weite Rundschau in den Böhmerwald nach Böhmen hinein, über den größten
Theil des Mühlviertels und die Tiefenregion südlich der Donau bis zur feruen Alpenkette
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch