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ein paar Sprachinseln. Als eine solche bezeichnet man die Gösau. In der Gemeinde
Viechtwang wohnt am linken Ufer der Alm das sonderbare Völklein der Almecker, aus
wenigen Familien bestehend, die alle untereinander verschwägert sind, sich selten anßer der
Sippe verheiraten, sich überhaupt streng gegen ihre Nachbarn abschließen und außer anderen
Besonderheiten eine Menge von Wendungen und Ausdrücken haben, die im übrigen Lande
nicht verstanden werden. Die Sprache der Märkte und kleinen Städte hebt sich von der
Sprache des Bauers durch einige charakteristische Züge ab. Sie verschmäht die bäuerlichen
Diphthonge, die das lange o vertreten, und ersetzt sie durch ein nach a hin geöffnetes o.
Den Diphthong oa vereinfacht der Städter gerne zu langem a: i haafs (ich heiße), Staan
(Stein), Baan (Bein). Das oi für en gilt für feiner als das io, weshalb der Städter jenes
bevorzugt; in den Verben der U-Classe ist das oi durch den Diphthong ie (ia) verdrängt
worden. Im Allgemeinen nähert sich die Sprache der Städter der Schriftsprache. Eine
solche Annäherung ist auch in der Sprache des Bauers nicht zu verkennen. Während im
XVIII. Jahrhundert der Dialeet noch so unumschränkt herrschte, daß selbst der gebildete
Beamte in seinen Agenden, Rechnungen und Berichten, wenigstens was den Vocalismus
anbelangt, den unverfälschten Dialeet schrieb, ist heute selbst der ungebildetste Bauer
aus dem einsamsten Gehöfte bestrebt, sobald er die Feder zur Hand nimmt, sich des
Hochdeutschen zu bedienen. In neuester Zeit üben Schule und Zeitungswesen, Verfassungs-
leben und allgemeine Wehrpflicht einen von Tag zu Tag sich steigernden Einfluß auf die
Sprache aus. Manches Wort, das vor dreißig Jahren noch gang und gäbe war, ist heute
veraltet, die bäuerlichen Diphthonge eo, io und oi sind nun auch auf dem flachen Lande
theils verdrängt theils gefährdet, der Bauer ist sich der Derbheit seiner Sprache bewußt
und sucht sie, wenn er mit dem Gebildeten spricht, nach Möglichkeit zu vermeiden.
Die Dialectdichtung ist die reinste Kunstdichtung in bäuerlicher Verkleidung.
Ebensowenig als der Städter, der sich gelegentlich einer Besteigung des Schneeberges oder
einer Villeggiatnr am Attersee in Alpeneostüin wirft, zum Älpler wird, ebensowenig ist auch
nur einer unserer vaterländischen Dichter von Maurus Liudemayr bis Leopold Hörmann,
wie gediegen der Inhalt ihrer Lieder, wie rein auch der Dialeet sei, den sie sprechen, ein
echter Volksdichter. Sie sind vielleicht aus dem Volk herausgewachsen, aber sie gehören
ihm nicht mehr an, sie singen zwar von dem Volke, aber nicht für dasselbe. Manchmal
sieht die Dialectdichtung vom Volke, dessen Sprache sie spricht, gänzlich ab und wird zur '
subjektiven Lyrik. Diese Gattung hat besonders in den Liedern, die dem vaterländischen
Sinn, der Liebe zun« heimatlichen Dorf, zum väterlichen Haus Ausdruck geben, Einzelnes
geschaffen, was auf bleibenden Werth Anspruch erheben kann.
Der Vater der modernen Dialectdichtung ist der Benedietiner von Lambach, Maurus
Liudemayr (1723 bis 1783). Seine Hauptstärke ist das bäuerliche Lustspiel. Er schildert
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch