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Originalität gezeichnet, eine erschöpfende Mustersammlung bäuerlicher Typen. Aus ihrem
Znsaminengreifen schürzt und löst sich eine Handlung von dramatischer Lebendigkeit, die
zwar nicht von welthistorischer Bedeutung ist, doch von entscheidender Wichtigkeit für das
Wohl und Weh der Betheiligten. Das Gedicht ist, wie Lindemayrs Bauernkomödien, ein
schätzenswerther Beitrag zur Culturgeschichte. Wir sehen da die Bauern bei ihrer Arbeit
und in der Muße, bei der geschäftlichen Transaction und im Lieben, bei Schimpf und
Ernst, in der Kirche und beim Tanz, bei Schmaus, Spiel und Raufhandel. Wie hoch das
Allgemeine über dem Einzelnen, das vielverschlungene Gewebe von Ereignissen und
Beziehungen, die das Leben des Bauernvolkes ausmachen, über dem Witzwort des Spaß-
vogels, über dem thörichten Streich des Einfaltspinsels, wie hoch das große Historien-
gemälde über der nebensächlichen Randverzierung steht, ebenso hoch steht Stelzhamers
„Ahnl" über allen den Caricatnren, Possen und Schwänken, in denen andere Dialectdichter
das Volksleben zu schildern vorgeben. So trefflich Stelzhamer zu erzählen weiß, so ist
er doch durch und durch Lyriker. Die besten seiner Lieder sind Gelegenheitsgedichte im
edlen Sinne des Wortes, aus denen sich leicht eine poetische Lebens- und Leidensgeschichte
des Dichters zusammenstellen ließe. Wie Stelzhamer von allen seinen Wanderungen
immer wieder ins Vaterhaus zurückkehrte, so klingt bei aller Mannigfaltigkeit der
Stimmungen ein Gefühl immer wieder durch, das uns den Dichter, bei allen den Mängeln,
die auch ihm anhafteten, immer wieder liebenswürdig macht: die Liebe zu seiner Mutter.
Seit Stelzhamer seine ersten Lorbeeren gepflückt hat, ist eine rege Schar von
heimatlichen Dichtern an der Arbeit, die alle den vom Meister betretenen Weg gehen, sich
aber je nach Anlage und Temperament in größerer oder geringerer Entfernung halten.
Adam Kaltenbrunner (1804 bis 1867), der als Mitbegründer unserer Dialeetdichter-
schule bezeichnet werden muß, pflegte mit Vorliebe die komische Erzählung. Volksthümliche
Typen, deren Züge nicht selten zur ergötzlichen Carieatnr erhöht sind, zeichnen Josef
Moser (geboren 1812), Karl Puchner (1813bis 1880), Rudolf Juugmair (1813bis1875),
Ludwig Luber (1814 bis 1850), Ferdinand Margelik (1816 bis 1878), Anton Gärtner
(1817 bis 1858). Sie alle stehen im bewußten Gegensatz zum Volke; indeß sich aber die
bisher Genannten mit mehr oder weniger Wohlwollen zum Bauer herablassen, gehen ihm
Franz Jnnbach (geboren 1820) und Johann Georg Mayr (geboren 1821) mit der Geißel
der Satire unerbittlich zu Leibe. Daneben versuchten sich alle ohne Ausnahme und nicht
ohne Glück im volkstümlichen Schnadahüpfl; manchem von ihnen, wie Moser, Gärtner
nnd Mayr ist ein und das andere sinnige Lied auf die heimatliche Landschaft, auf Berg
und Wald, Bach und See gelungen. — Unter den lebenden Dialeetdichtern steht unstreitig
Norbert Purschka (geboren 1813) am höchsten. In seiner Jugend pflegte er ein ganz
eigenthümliches Genre; er schilderte in kurzen, glücklich poiutirteu Gedichten das Pfarrhof-
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch