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Wenn heute der alte Volksgesang in seinen beiden Hauptvertretern, dem religiösen
Lied uud der Ballade, kaum mehr eine kümmerliche Existenz fristet, so folgt daraus keines-
wegs, daß beim Volk die Freude an Gesang uud Musik abgenommen habe. Es wird nur
den: musikalischen Bedürfniß heute zum Theil iu auderer Weise Genüge geleistet.
Eine Art des alten heimatlichen Volksgesanges hat sich in uugeschwächter Kraft
erhalteu, das Schnadahüpfl. Die Träger dieser Gattung, die sangesfreudigen Bauern-
burschen, besitzen einen überaus reichen Schatz dieser kleinen Lieder, die sich von Generation
zu Generation vererben, und was davon im Lauf der Zeiten verloren geht, wird täglich
ersetzt, denn jede„Rud", wie sich die kleinen Geselligkeitsvereine der Bauernburschen nennen,
hat uicht nur ihr eigenthümliches Repertoire, sondern auch ihren Dichter, und sie setzt
ihren Stolz darein, bei jedem Tanz das Publicum durch ein paar neue Liedcheu zu
überraschen. Bemerkenswerth ist dabei der Umstand, daß diese täglich neu ausschießenden
Liedchen ausnahmslos auf dem Boden der Gegenwart stehen.
Die Form dieser Liedcheu ist sehr schlicht; sie besteheu meist aus vier zweitactigeu
Zeilen, so daß zwei kliugeude uud zwei stumpfe Zeilen sich kreuzen und die letzteren reimen:
I bin a kloaus Bürscherl
Und steh auf an Stoau; Und i wött um an Zwoauzga'
Du kannst ma nix thoan.
Öfter verbindet sich auch ein klingendes Reimpaar mit einem stumpfen:
Mein Dierndl hoaßt Naanderl,
Hat schneeweiße Zaanderl Und Waaugerl so rund,
Das ma dreinbeißen knnt.
Oft sind zwei Vierzeilige als Strophe und Gegenstrophe zu einem Wechselgesang ver-
bunden, wobei die Gegenstrophe den nämlichen Gedanken in anderer Wenduug aufnimmt.
Er: Du schwarzaugats Diernderl
Wia hättst as denn gern?
Soll i lustiga sein
Oder tranriga wer'n? Sie: Derfst nöt lustiga sein
Und nöt tranriga wer'n;
Wiast bist, a so bleibst,
A so han i di gern.
Häufig wird dasselbe Thema in zwei oder mehreren Strophen variirt. Zwar könnte
jedes „Gesätz" für sich bestehen, doch lieben es die Sänger, bei einen: Gegenstand länger
zn verweilen und die Variationen aneinander zu reiheu:
A bisserl a Lieb
Und a bisserl a Treu
Und a bisserl a Falschheit
Js allweil dabei.
Halbs Zinn und Halbs Blei,
Und Halbs liab i di treu Und Halbs liab i die falsch
Und i sag da nöt alls.
Hiazt brauch i zwoa Herzerl,
A falschs und a trens,
Und hiazt liab i zwoa Diernderl,
An alts und a nens.
' Zwanziger.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch