Seite - 209 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6
Bild der Seite - 209 -
Text der Seite - 209 -
209
Schilderung des Scheidens der Liebenden am Morgen. Äußerlich durchgedrungen ist der
Frauendienst und bis auf wenige Reiinfreiheiten auch die strengere Form bei Hartwig
von Raute, ohne aber die Lebendigkeit, ja Leidenschaftlichkeit seines Naturells zu
beeinträchtigen.
Diese schönen, frischen Triebe zur vollen Blüte zu bringen, waren anderswo die
Bedingungen günstiger; wohl aber an der Nachblute der altdeutschen Lyrik dürste Ober-
österreich einen bescheidenen Antheil haben. Denn hier scheint sowohl der nicht näher
bestimmbare Sachsendorser, dessen im Grnnde sinnlich frohe Natur sich in den hergebrachten
Geleisen des Minnesangs bewegt, als wenigstens vorübergehend der ernstere Bruder
Weruher, der als Spruchdichter in Walthers Fnßstapsen tritt, heimisch gewesen zu sein.
-
Facsimile aus der „Monseer Handschrift".
Nicht so günstig steht es mit dem Epos. Allerdings glanbte Fr. Pfeiffer in unserem
ältesten Minnesänger auch den Dichter unseres größten Nationalepos nachweisen zu
können. Allein dieser Hypothese, wiewohl ungleich besser begründet als irgend eine der
früheren, die für das Nibelungenlied einen Dichternamen zu gewinne» suchten, fehlt doch
noch viel zu allgemeiner, widerspruchsloser Anerkennung. Auch das höfische Epos hat zur
Zeit seiner Entstehung und Blüte bei uns keinen Vertreter. Dafür dürfen wir die mit
Recht berühmteste unter den kleinereu Erzählungen hier einreihen, die im besten Sinne
realistisch uus ein höchst lebendiges Sittenbild aus der Heimat entrollt. Die schon aus
Neidhart bekannte Neigung des durch die äußeren Verhältnisse begünstigten baierischen und
österreichischen Bauers, die Schranken seines Standes zu durchbrechen und es der höfischen
Gesellschaft gleichznthnn, hat gegen die Mitte des Xlll. Jahrhunderts Wernher der
Gärtner , wohlvertraut mit Neidhart und audereu Dichtern, znm Vorwnrf seiner
Erzählung vom Meier Helmbrecht gewählt. Auf ritterlichem Standpunkt stehend, zeigt
er, wie jenes Emporstreben des jungen Bauers über seinen Stand zum moralischen und
physischen Verderben führen mnß. Dies aber nicht etwa in lehrhafter Geschwätzigkeit,
Oberösterreich und Salzburg. 14
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch