Seite - 332 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6
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diesen Berg zum Träger der Sage gemacht habe», ebensv wie auch auderswo die Sageu
au jene Berge geknüpft wurden, die durch ihr unvermitteltes Aufragen aus der Ebene
besonders auffallen. Dazu kommt in unserem Falle noch etwas Anderes. Der Untersberg
ist eiuer der unwirthlichsten Berge; auf ihm ist wenig oder nichts zu holen, nicht einmal
für die Alpenwirthschaft ist er geeignet. Was wir in der Ebene von ihm sehen, ist uur die
schmale Seite eines dreieckigen Massives, das eine ausgedehnte Hochfläche trägt. Aber diese
Fläche besteht mir aus den Wellen eines harten Kalksteines, der infolge der Verwitterung
unzählbare Schluchten, Trichter, Gruben und Löcher bildet. Wo noch ein Plätzchen für
den Pflanzenwuchs geeignet war, da hat sich zähes und undurchdringliches Krummholz
angesiedelt, es ist ein völlig unpassirbares Gebiet. Der Wanderer, der sich da hinein
verirrt, — es geschieht wohl selten genug — kann sich allerdings von Dämonen genarrt
glauben, wenn er, mühsam Schritt um Schritt dem Gestrüppe und dem rauhen Fels
abringend, sich immer wieder in den gleichen Felstrichtern und Schluchten gefangen sieht,
von denen eine der anderen vollkommen gleich erscheint. Dazu noch dnnkle Höhlen an
unzugänglichen Felswänden, aus denen Nebeldampf emporsteigt und kreischend die
schwarzen Alpendohlen fliegen. Gelingt es auf gefährlichem Pfade den Eintritt in die
Höhle zu erzwingen, dann kann man erst recht glauben in das Geisterreich eingedrungen
zu sein. Ein glattes Eisparqnet deckt den Höhlenboden und wie weiße Gespenster leuchten
aus den dunkeln Winkeln der Höhle hohe Eissäulen — schlauke Gestalten mit lang-
nachschleppenden Gewändern, wie die von der Decke tropfenden Wässer im Winter Eis-
Stalagmiten mit breitem Fuße und schlanken Spitzen aufgebaut haben. So ist also der
Untersberg der Sitz einer ganzen Anzahl von Sagen geworden, unter denen die von
Karl dem Großen, der im Berge schläft, die berühmteste, die von den Zwergen aber
wohl die in der Bevölkerung verbreitetste ist.
Am östlichen Fuße des Untersberges strömt der Almflnß, welcher aus dem
Berchtesgadener Ländchen kommt, und jenseits bis zur Salzach hinüber baut sich eine
Hügellandschaft auf, bedeckt mit Gehöften und Ortschaften, im Süden überragt von den
Wänden des hohen Göll (2.519 Meter). Dieses malerische Revier birgt in seinem Innern
einen Mineralschatz, der in der politischen und wirthschaftlichen Geschichte unseres Ländchens
eine sehr große Rolle gespielt hat: das Salz vou Hall ein und Berchtesgaden. Ersteres
Städtchen, seit dem XII. Jahrhundert der Sitz der landesfürstlichen Salzsiedereien, liegt
auf einen engen Raum zwischen der Salzach und dem Berge, ans dessen Höhe die Stollen
ins Innere der Erde führen, eingezwängt.
Eine aus rothem Marmor im XVIII. Jahrhundert erbante Wallfahrtskirche bezeichnet
schon vou weitem die Stätte, wo heute wie schou vor der Ankunft der Römer die werth-
vvlle Gabe der Natnr gewonnen wird.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch