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Das XI. Jahrhundert war in seiner ersten Hälfte eine Blütezeit des deutschen Reiches
und Kaiserthums. Es ist aber gegenwärtig sehr schwer, sich eine richtige Vorstellung der
höchst eigenartige« Einrichtungen dieses mittelalterlichen deutschen Staatswesens zu machen.
Denn es wäre ebenso unrichtig, schon für jene frühe Zeit eine Zersplitterung des Reiches
in eine große Anzahl kleiner Fürstenthümer und Städte vorauszusetzen, wie sie später
eintrat, als anderseits jede Ähnlichkeit mit den gegenwärtigen Begriffen von Staat und
Unterthanenschaft fehlt. Unter allen diesen unverständlich gewordenen Einrichtungen ist
aber vielleicht die eigenthümlichste die Stellung der Reichsbisthümer im damaligen Staate.
Die Bischöfe und Erzbischöfe hatten noch während der Völkerwanderungszeit in den
neu gegründeten germanischen Reichen eine sehr angesehene politische Stellung errungen.
Sie gehören fortan durch das ganze Mittelalter
zu den höchsten Staatswürdenträgern, sie sitzen
gewissermaßen unter den Pairs des Reiches,
keine wichtige Staatshandlung kann ohne sie vor-
genommen werden. Dieses Ansehen stieg durch
Karl den Großen noch wesentlich, der ja Kirche
und Staat auf das innigste mit einander verband
und als vom Nachfolger Petri gekrönter Kaiser
nnd Schirmherr der Kirche selbst eine halbgeistliche
Stellung einzunehmen schien. Im deutschen Reiche,
Siegel des Erzbischofs Dietmar II. »US dem bas ans der Theilung dei karolingischenÄ)l0naichie
XI, Jahrhundert. hervvrging, erreichte die Bedeutung der Bischöfe
ihren Höhepunkt, da sie die Stützen der Könige gegenüber den Fürsten, die Verfechter der
Rationaleinheit gegenüber den Lösnngsabsichten der Stämme waren. Wenn die Fürsten
Aufstände erregten, stützten sich die Könige auf die Kirche; die Herzoge und Grafen sind die
Beeinträchtiger und Verfolger, die Könige die großmüthigen Beschenker nnd Schützer der
Kirchen. Ganz ausgesprochen besteht dieses Verhältniß unter den sächsischen und fränkischen
Kaisern bis zum Tode Heinrichs UI. (lt)56). Rnr aus dieser Politik werden die ungemein
ausgedehnten Schenkungen erklärlich, welche fortwährend auf die Kirchen gehäuft wurden,
hieraus auch die Verleihungen immer neuer und wichtigerer Freiheiten gegenüber den
weltlichen Obrigkeiten, von Zöllen und Märkten, von Stadt- und Müuzungsrechten,
endlich die Übertragung von ganzen Reichsgrafschaften, ja sogar von Herzvgthümern.
Obwohl nuu in diesen Schenkungen immer nnr von Vergabnng an den betreffenden
Kirchenheiligen, von Befreiung nnd Begünstigung der Kirche die Rede ist, so beweisen
doch die Thatsachen, daß die Könige sehr bedeutende Gegenleistungen verlangten. Waren
die Bischöfe die begünstigten Stützen der Staatsgewalt, so mußten sie doch anch zumeist
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch