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Ding zu erscheinen oder die Rechte an die Flur betrafen. Anch Niederlassungen, Markt-
rechte, Forstrechte, Zaunrechte, die Verfolgung von Verbrechern, je nachdem sie in
verschiedenen Gerichten erforderlich war, wurden von dein Sprecher, „Proeurator"
genannt, gewiefeu oder verlesen. So wurden alle Gerichtsfälle der Gemeinde bekannt,
welche im Laufe des Jahres vor dem zuständigen Gerichte verhandelt werden konnten, und
sowohl Beisitzer als Kläger uud Augeklagte konnten sich nicht mit der Uukeuutuiß der
Gesetze „befangen". Zum Schlüsse wurden neuerliche fürstliche Mandate verlesen. Über
Verbrecher aber sprachen die fürstlichen Obergerichte das Urtheil. Im Jahre 1802 wurden
die letzten Taidiuge gehalten.
Der Alpenbewohner härtet begreiflicherweise seinen Körper gegen Wind und Wetter
iu anderem Maße ab als der Bewohner des Hügellandes nnd der Ebene. Er bedarf einer
kräftigen Brust, gesunder Lnnge, kräftiger Mnskeln nnd eines schlanken Körpers, um die
Anstrengungen des Holzhackers im Bergwalde, des Holztristers, der bisweilen fünfzig
Meter in die Klamm hinabgelassen wird, die gestauten „Blöcher" und Scheiter zu ledigen,
des Gemsjägers, des Heugewinners ans den Hochmähdern, der winterlichen Bringnng
dieses Bergheues, des Hochalpensennen, der verstiegene Stücke Vieh sucht, zu bestehen. Er
muß schwindelfreien Blickes sein, Gefahren nicht achten nnd darf die Besonnenheit nicht
verlieren. Man hat längst behauptet, daß ei« Dutzend Faistenauer an ihrem Leibe mehr
Starben vom Holzhacken tragen als ein Bataillon Soldaten, das aus dem Kriege heimkehrt.
Man erinnert sich des Namens nnd Ortes jenes Holzflößers, der seinen Fnß aus den
verspreizten Balken nicht mehr befreien konnte, sich denselben abhackte und sich dann aus
der Klamm wieder in die Höhe ziehen ließ. Nur durch kalte Besonnenheit entging der
Bergverwalter, der im hohen Siglitzgraben zwischen zwei Lawinen gerieth, dem Tode des
Verschüttetwerdens oder des Verhungerns.
Im ganzen Reiche heiratet man im Salzburgischen (und in Kärnten) am spätesten
nnd darauf beruht zum Theil auch der langsame Volkszuwachs. Der nothwendig beschränkte
Erbgang in den Bauerngütern, die durch Wirthschaftsverhältuifse seit langer Zeit sich
vermindernde Zahl selbständiger Besitzer, die Zerschlagung der abgegangenen Güter oder
„Zulehen", mangelnde Erwerbsgelegenheiten, die kärgliche Fristung des Kleingewerbes in
den Märkten hindert den Nachwuchs der Bevölkerung an dem Eingehen des Ehebandes
auf Grund zureichender Erwerbsmittel. Die nothwendige« Folgen sind die Anzahl
unehelicher Kinder, getäuschte Hoffnungen und eine das Mittel übersteigende Häufigkeit
von Jrrsiuu unter dem weiblichen Geschlecht. Doch findet die uneheliche Mutter nicht selten
mit einem zweiten Bewerber den Hafen der Ehe. Heiraten auf gut Glück oder sogenannte
Bettlerhochzeiten, bei denen die Ehepaare von fragwürdigem Erwerb leben, kommen fast
nur nnter Eingewanderten vor, der Altfalzbnrger schämt sich derselben und wendet auf sie
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch