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des Landes keine nennenswerthe Verbreitung, Sv galteil denn von den österreichischen
Alpenländern nur Tirol und Kärnten als Poesie- und gesangreich.
Erst August Hartinanns nenerliche Publicationen über das deutsche Volksschauspiel
und die deutschen Volkslieder in Baiern nnd Österreich enthüllten der gebildeten Welt die
reichen Schätze der Volkspoesie unseres Gebietes, von welcher schon Süß behauptet hatte:
„Der Salzburger, begabt von seinem Schöpfer mit gesundem Witze, heiterer Laune und
keiner K-'hle, steht iu dem Naturgesauge keiuem anderen Volke nach."
Ihre reichsten nnd edelsten Blüten hat die Volkspoesie Salzburgs auf dem Gebiete
der religiösen Dichtung getrieben. Den deutschen Volksgesang iu der Kirche, welchen das
Provinzial-Concil von 1569 schon als „alte Gewohnheit" billigt, pflegten bis zur Ein-
führung der Orgel die „Kirchensäuger", welche sich ihre Lieder uud die Siugweiseu dazu
meist selbst machten. Die liebevollste Pflege fand das Weihuachtslied, welches nicht mir
in der Kirche, sondern auch vor nnd in den Häusern gesungen wurde uud zum Theile uvch
wird; es zerfällt in Herberglieder, Hirtenlieder, eigentliche Weihuachtslieder, Neujahrslieder
der Sternsinger uud ähnliche. Der Charakter des Weihnachtsliedes ist fast ausuahmsweise
halbdramatisch, der Dialog vou rührender Einfalt, hier nnd da nicht ohne Humor, der aber
nicht das Heilige berührt, uur auf die eigene menschliche UnVollkommenheit zielt.
Von den Schöpfungen der Kirchensänger verdiene» außerdem ihre hübschen Marien-
lieder Erwähnnng, ferner die dem salzburgischen uud dem augreuzeudeu (ehemals salz-
burgischen) Theile Oberbaierns eigenthümliche Dichtung der Hochzeitslieder, welche nach
der Trauung vom Kirchenchor erklangen, nnd die naiven, aber bei aller Einfachheit höchst
ergreifenden Todtenlieder. In diesen an beiden Usern der Saale noch heute üblichen
Liedern wendet sich der Verstorbene selbst an die Anwesenden, erzählt nach einem weh-
müthigen Hinblick auf die menschliche Vergänglichkeit und der Ermahnung, sich an seinem
Schicksale ein warnendes Beispiel zu nehmen, die Geschichte seines Hinganges, nimmt dann
rührenden Abschied von Weib nnd Kind, Eltern nnd Freunden und bittet sein Weib, die
Kinder fromm zu erziehen, „daß ein frohes Wiedersehen einst uns all' erfreuen kann".
Zum Schlüsse dankt er dem Priester für die Ertheiluug der heiligen Sakramente und
schließt mit einem Lebewohl an Alle, die ihm das letzte Geleite gegeben.
Als das kirchliche Drama des Mittelalters mit Beginn des XVlI. Jahrhunderts
dem veränderten Zeitgeschmack hatte weichen müssen, fand es, durch mehr als ein Jahr-
hundert von de« Gebildete» unbeachtet, seine eigenartige Weiterentwicklung in den
geistlichen Spieleu des katholischen Bauernvolkes in Süddeutschland, insbesondere aber
in deu Alpenläuderu. Erst seit der Mitte unseres Jahrhunderts wurde durch die Ober-
aininergauer uud Brixlegger Spiele das Interesse der gebildeten Welt neuerdings auf
das Volksschauspiel gelenkt.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch