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noch vorhandenen Gebetbüchleins eingetragen, das in Salzburg geschrieben und dem
jungen Ludwig (dem Deutschen) zugeschickt worden war. Ein nicht blos äußerlicher
Zusammenhang mit dem Schreibeort darf wohl gefolgert werden.
Wie stürmisch auch die Zeiten sich gestalteten, Salzburg blieb eine Zufluchtsstätte
friedlicher Geistesarbeit. Selbst in dem X., dem Jahrhundert tiefsten Niedergangs, sank es
nicht von seiner Höhe. Und mit ihrer Metropole wetteiferten die Landbisthnmer. Namentlich
in Freising trug der Same, den Arno gestreut hatte, reiche Früchte, so daß es zu eiuer
Hauptbildungsstätte des Mittelalters wurde. Otto der Babenberger schrieb hier seine
herrliche fromme Weltchronika nnd das Leben Friedrichs, des großen Staufenkaisers.
Epischen, vorwiegend lehrhaften Charakter trägt die gesammte bisher erwähnte
Literatur an sich. Klöster sind ihre Pflegestätten, ihr Inhalt die kirchliche Gelehrsamkeit.
Aber die Geistlichen, ihre treuen Pfleger, sind Kinder des Volks. Volkstümliche Klänge,
heimische Erinueruugeu dringen durch sie iu die gelehrten Bücher. Altes verwebt sich mit
dem Neuen, Heidnisches mit Christlichem, Göttermythen heften sich an geschichtliche
Persönlichkeiten uud werden zu Sagen nnd Legenden, wie die Thorsmythe in der Legende
von dem heiligen Einsiedler Wolfgang, die Odinsmythe nnd die der Götterdämmerung
in der Sage vom Untersberg. Um Karl des Großen Andenken schwebt so die doppelte
Glorie der Mythe und Geschichte, und der Uutersberg wird zum germanischen Olymp.
In dem gewaltigen Kampfe der geistlichen und weltlichen Macht standen die Erz-
bischöse Salzburgs auf Seite der ersteren. Auch geistliche uud weltliche Dichtung schieden
sich nun. Der Minnesang, der die Höfe der Fürsten und die Burgen der Ritter erfüllte,
fand iu dem geistlichen Salzburg keine Pflege.
Die Blüte des Minnesangs welkte frühzeitig. Auf Walther von der Vogelweide
folgte Neidhart, auf diesen der Tannhäuser. Die Dichtung kehrte zum Volke, von dem sie
ausgegangen war, zurück. Mit dem Bürgerthum aber, dem die geistige Erbschaft des
Mittelalters zufällt, tritt eine neue Zeitrichtuug in die Geschichte.
In den salzburgischen Gauen hat das bajuvarische Volksthum, meist unberührt von
dem Wechsel der geschichtlichen Vorgänge, seine Eigenthümlichkeiten und Überlieferungen
vielfach festgehalten und zum Theil bis auf den heutigen Tag bewahrt. So ist Salzburg
eine Heimstätte derb bäuerlichen Volkshnmors. In dem ältesten unserer Weihnachtsspiele,
ans einer Freisinger Handschrift des X. Jahrhunderts, wirft Herodes den Schriftgelehrten,
die er in Sachen der Könige aus dem Morgenlande zu Rathe zog, ihre eigeueu Bücher,
gewiß zum hellen Jubel der Zuschauer, an die Köpfe. In den uralten Adam- und Eva-
Spielen ist der Teufel selbst, in den Laufener und Halleiner Hirtenspielen sind es die
Rüpel, Lippel, Jrgel u. s. w., in den Osterspielen der Marktschreier, der den Frauen
Salben und Specereien feilbietet, welche die komischen Rollen spielen. Die Charakterfigur
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch