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romanischen Textil- und Kleinkunst, an liturgischen Gewändern und Gerathen, Reliqniarien,
Elfenbein- und Emailarbeiten besitzen. Sie sind größtentheils aus kunsthistorischen Fach-
blättern und Büchern schon längst bekannt. Auch im städtischen Museum finden sich einige
durch Alter und Form interessante Objecte dieser Art. Das berühmte Antipeudium des
Domschatzes, der Speisekelch in St. Peter, das Faldistorium in Nonnberg gelten als
Seltenheiten ersten Ranges. Freilich ist der heutige Reichthum kaum mehr zu vergleichen
mit dem einstigen; der kostspielige Domball des XVII. Jahrhunderts, die Neuerungssucht
der Barockzeit, endlich und ganz besonders die der Säcularisatiou gefolgten Kriegsjahre
haben unter den alten Schätzen gewaltig aufgeräumt.
Die Jeit der Gothik.
Die Gothik, die wunderbare Tochter des Romanismns, die in engem Formenkreise
es zu so hohem Zauber der Erscheinung gebracht, kam wie ihr Vorläufer spät ins Land,
so spät, daß ihr zur Herrschaft nur ein verhältnißmäßig kurzer Zeitraum, wenig über
ein Jahrhundert offen blieb. Die Zeit ihrer Hochblüte, das XIV. Jahrhundert, ist für
Salzburg überhaupt eine unruhige, durch iuuere und äußere Kämpfe vielfach bewegte,
der Kunstentwicklung und speciell der Bauthätigkeit ungünstige gewesen. Erst mit dem
XV. Jahrhundert kamen wieder bessere Tage; sofort erwachte auch wieder eine frischere
Baulust, und zwar im neuen — gothischen — Stile. Allein dieser war inzwischen selber
alt geworden und seine beste Triebkraft bereits erschöpft. So war es fast nur mehr die
Spätgothik mit allen ihren Vorzügen und Schwächen, deren sich das Land, die Hauptstadt
nicht ausgenommen, erfreuen konnte.
Diese kurze Periode der Spätgothik bietet indeß mannigfaches Interesse. Nicht in
der Größe und Schönheit, sondern in der Menge dessen, was sie schuf, liegt hierzulande
ihre Bedeutung. Das XV. Jahrhundert war für Salzburg eine goldene Zeit. Die früheren
Kämpfe und Wirren hatten ausgetobt, Taueruhaudel und Bergsegen schütteten ein Füll-
horn von Wohlstand über Stadt und Land, Alles sonnte sich im lange entbehrten Frieden
und Gedeihen. Da regte sich auch durch alle Kreise eine frische fröhliche Schaffenslust und
allerorts, nicht blos bei den Hohen, sondern auch bei Bauern und Bürgern fing man zu
bauen an. Nichts Großes, aber erstaunlich Vieles, keine stolze Bnrg, kein hochragender
Münster, aber ein Gewimmel von Kirchen und Kirchlein, einfach bis zur Nüchternheit,
dabei jedoch verständig, solid und wetterfest, wie man es im rauhen Berglande brauchte,
liebte und verstand. Es will etwas sagen, daß in dem einzigeil Jahrhundert das kleine
dünn bevölkerte Erzstist über 150 Kirchen, theils vom Grnnde neu, theils au Stelle älterer
entstehen sah. Alles natürlich spätgothisch, ohne den Prunk und Zieratenschwulst, doch
iu der strengen Gesetzmäßigkeit, Harmonie und Würde, mitunter selbst Kühnheit des
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch