Seite - 20 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Steiermark, Band 7
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Überhaupt scheinen die Menschen, welche seit jeher hier ihr Leben von der
Gnade der sie umgebenden Natnr fristen, ganz angepaßt der wilden Gegend. Und wie
seit Jahrhunderten die Nadelbäume ihre verzweigten Wurzeln aussenden, so bauen auch
die Menschen seit undenklicher Zeit ihre niederen, nur unten gemauerten Häuser mit den
hölzernen Balkönen, vor welchen in deu winzigen Gärtchen große Sonnenblumen selbst-
bewußt ihre grobe Pracht entfalten. Der wechselvollen Cultur der Meuscheu ist es blos
gelungen, in Colonien, in Pflanzstätten sich zu behaupten. Eine solche war vor Allem die
berühmte Abtei Admont, dann alle die Kirchen, an denen wir hier uud da noch romanische
Anklänge finden, alle Abstufungen der Gothik uud endlich eine jesuitische Umgestaltung
und Ansschmücknng. So in Pürgg, Niederhofen und anderen mehr. Und schließlich die
Schlösser, bald burgeuhaft wie Strechau, bald in der eigenthümlichen grobkörnigen
Renaissance, die sich unter den Ferdinanden in Jnuerösterreich entwickelt hat, wie Fried-
stein — bald in der edlen Barocke, welche die glanzvolle Zeit eines Leopold und Karl VI.
gezeitigt hatte, wie Trautenfels. In ausgedehnterem Maße inmitten jenes unwandelbaren
Reiches weiß sich die moderne Cultur dort zu behaupten, wo ihr die Landstraße Bahn
gebrochen hat. Und zahlreiche Ortschaften entstanden nun, seitdem die Salzstraße eröffnet
war und die Posten mehr Reisende und Fremde brachten. In dem kleinen Orte ist
das stattliche Einkehrgasthaus entstanden mit dem großen vorspringenden Dache, dem
Schilde, neben dem ein kleiner gemalter Türke oder ein Doppeladler de» Tabakverschleiß
verkündet. Den Typus eines solchen Hauses habe» wir im Orte Niederhofen. Drinnen
im Vorhaus verzehre» die Knechte und Mägde aus gemeinsamer Schüssel das Mahl.
Daneben ist die Extrastnbe mit den rotheu Vorhängen an den wohlvergitterten Fenstern
uud dem Bilde des Erzherzogs Johann an der Wand. Hier tafeln, wenn des Abends die
von der Decke herabhängende Petroleumlampe entstammt wird, die wenigen Reicheren
und Angeseheneren. Gegenüber an der Straße zum lauggestreckteu Troge des Brunnens
mit dem ewig strömenden Strahle schreitet breitspurig das Vieh, um den Durst zu stillen.
Für die Schienenstränge ist Steinach im steirifchen Ennsthale der wichtigste Knoten-
punkt. Aufwärts das Thal geht es nach Tirol, in das Salzburgische, abzweigend aber,
dem Grimniiug gegenüber, erklimmt die neu angelegte Linie in kühner Steigung die
Paßhöhe nach Aussee uud Ischl.
An allen diesen mannigfaltigen Bildern strömt die Enns vorbei, um voll Thaten-
durst den Kampf mit dem rauhen Gebirge zwischen Puchstein und Hochthor zu beginnen.
Es ist schaurig zu sehen, wie in den öden Felsengegenden des Gesänses die Wässer
schäumend sich tausendmal spalten, nm brausend und wirbelnd fortzudonueru über das
vielfach bezwungene Gestein. Am Ende der Felsschlucht uimmt die Enns Abschied von der
grüueu Steiermark uud eilt dem blüheudeu Österreich zu.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch