Seite - 28 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Steiermark, Band 7

28 die man aber selten finden kann, eine Mutter mit ihrem Kinde in den Berg; sie füllte ihre Schürze mit Gold und Edelgestein, vergaß aber ihr Kind in der Berghöhle. Sie konnte den Eingang nicht mehr finden und das Kind soll der Wanderer in stillen Nächten heute noch wimmern höreu aus dem Berge und klagen über eine Mutter, die irdischer Schätze wegen ihr Kind vergessen kann. Jetzt liegt vor nns Mürzznschlag. Der stattliche Ort ist weitbekannt und ein Lieblingspunkt der Wiener Sonntagsausflügler, Sommerfrischler und Touristen. Die frenndlichen Anhöhen, die den Ort umgeben, gönnen prächtige Rundblicke ins Mürzthal zurück, in das Fröschnitzthal gegen Spital und den Semering, in das Hochgebirgsthal von Neuberg, aus welchem die Mürz sich ergießt. Wir verlassen hier die Reichsstraße und den Hauptstrang der Eisenbahn, die der Kaiserstadt an der Donau zustreben, wir bleiben der schönen, klaren Mürz getreu, die da noch nicht so glatt und würdig dahinfließt wie draußen im breiten Thale, sondern rieselt, flüstert und rauscht und über Steine hüpft, weil sie hier noch die jugendlich muntere Almerin ist. Wenn sie in ihrem unteren Laufe auch Äschen und Hnchen hegt, hier heimt in ihr mir die lose Forelle, die über den braunen, stellenweise goldig-schimmernden Sand munter gleitet. Das Thal gegen Neuberg ist enge und hat an beiden Seiten steil aufstrebende, größtentheils bewaldete Berge. Das Wasser, die Straße und die Nenberger Eisenbahn, sowie die Dörfer, Einzelgehöfte und Eisenwerke beleben es aber auf die regste Weise. Wir gelangen zu dem Dorfe Kapellen, wo sich unser Thal in das von Neuberg und das von Altenberg zweigt. Hier ist die Hochalpenwelt erschlossen, von allen Höhen schauen die Felszinnen herab, über dem Thale von Altenberg erhebt sich wüst und dräuend das über 2.000 Meter hohe Felsenhalbrund der Rax. Weit steigen die Wälder hinan zwischen den Karen und Schutthalden, aber endlich kommt das kahle Gewände mit gewaltigen Stein- tafeln, wo „seit Erschaffung der Welt" kein Menschenfuß gestanden, keine Baumwurzel Boden gefaßt, ja selbst keine Gemse und kein Steinbock gesprungen. Dazwischen allerdings ziehen sich wieder bequeme Aufstiege für Touristen, trotzdem fordert die Rax fast alljährlich ihre Menschenopfer, weil so viele Bergsteiger der Ansicht sind, die gnten, kostspieligen Wege auf hohe Berge seien nur dazu gemacht, daß sie umgangen und ihnen zum Trotz die unwirthlichsten Stellen aufgesucht werden können. Die Rax ist ein Berg, der sich solche Verhöhnung der Vernunft einmal durchaus nicht gefallen läßt. — Gegenüber der Rax starren die schattigen Wände der 1.904 Meter hohen Schneealpe, zwischen diesem Berg- stock und der Rax seukt sich der Naß-Kamp-Sattel als Übergang in den Naßwald. Von solcher Gegend heraus kommt die Raxen mit dem Altenbergbach. Der Bäche fließen in diesen Bergen so viele in die Mürz, daß man sich über die bescheidene Mächtigkeit unseres Flusses wundert; er ist aber tieser und stärker, als es auf den ersten Blick scheint.