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zwei Fibeln unbestritten römischen Ursprunges sind und den in ganz Pannonien so häufigen
provinciellen Formcharakter an sich tragen. Die Fibeln lagen zudem in keltischen Urnen,
so daß das gleiche Alter der beiden, stilistisch fremden Objecte außer Zweifel steht. Dieses
merkwürdige Factum, welches aber durchaus nicht vereinzelt steht, läßt sich ungezwungen
nur dadurch erklären, daß die seit altersher den keltischen Stämmen eigene Formgebung
in selbstgefertigten Thon- und Metallarbeiten sich noch eine geraume Zeit uach der
Occupation der Römer im Lande forterhalten hat und nur allmälig durch römische oder
doch durch romauisirende Formen verdrängt worden ist.
Es konnte auch nicht anders sein. Jahrhundertelang hatte sich in allen Ländern
Europas vor der eigentlichen griechischen und später römischen Civilisationsepoche ein
Formenkreis ausgebildet, welcher in den Alpenländern im Vollbesitz der keltogermanischen
Völker blieb bis zu ihrer Unterjochung durch die Römer. Aber auch nach der Occupatio»
konnten diese altgewohnten und alterthümlichen Formgebungen nicht sogleich aufhören. Sie
wurden nur allmälig in immer tiefere Volksschichten und in entlegene Gegenden gedrängt,
wo sie allmälig sich auslebten. Derselbe Culturgang vollzieht sich noch heute mit unsern
modernen stillosen Jndnstrieproducten, die, obgleich der Verkehr ein ungleich rascherer ist,
doch noch nicht die altheimischen Formgebungen der Hausindustrie überall verdrängt
haben, welche noch jetzt oft gauz direet an römische und sogar vorrömische Motive in der
Ornamentik erinnern.
Außer Maria-Rast finden sich in und bei Wies, ferner im Osten Steiermarks recht
häufig römische uud vorgeschichtliche Kunstproducte beisammen, welche das Nebeneinander-
fortbestehen der heimischen und römischen Cultur genugsam erweisen. Häufig treffen wir
auch eigenthümliche Mischformen an, die so recht eigentlich dem Forscher die Lösung über
die damaligen Culturzustände an die Hand geben, wofern er aus der Verwandtschaft und
Stilistik der Formen überhaupt den Fortschritt der Culturentwicklung zu enträthseln
versteht. Da gibt es einerseits römische Gefäße, die aus grobem Gemenge in so unclassischen
Formen uns entgegentreten, daß wir sie nicht für römisch hielten, wenn nicht alle anderen
Fundgegenstände, besonders die Münzen, deutlich dafür Zeugniß ablegen würden; ander-
seits aber haben auch wieder die Eingebornen nicht nur in den Formen und der Färbung
der Thongefäße, sondern auch in den Formen der Bronzefibeln sich immer schneller an
römische Vorbilder angelehnt.
Die alte Hausindustrie mit ihren einfachsten Hilfsmitteln mußte dem römischen
Gewerbe, welches auf vvllster Höhe der technischen Vollendung stand und jeder Aufgabe
gewachsen war, natürlich sehr bald weichen, ähnlich wie jetzt das Gewerbe und dieHandarbeit
wieder der Großindustrie uud Maschinenarbeit unterliegen. Dieser Concnrrenzkamps der
alten uud neuen stilistischen Formen dauerte aber eine geraume Zeit und ist in den Colonien
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch