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in den benachbarten Alpenländern der Fall ist. Das „Gevatterbitten" bedingt in der
Regel nur das erste Mal die Erfüllung gewisser Formalitäten, indem es zumeist Sitte ist,
daß stets dieselben Pathen sämmtliche Kinder einer Familie ans der Taufe heben. Der
„Göd" und die „Godl" tragen die Kosten der Taufe und des dazn gehörigen Mahles,
„binden" dem Täufling das „Krösengeld" ein, erfreuen die „Kindbettern«" mit einem
schweren Korb „Waisach", wobei das „Kindbettstritzel" oder das „Gabbrod", letzteres aus
Weizenmehl und verschiedenen Gewürzen bereitet, niemals fehlt, beschenken ihre Patheu-
kinder bei passenden Gelegenheiten, znm Beispiel an Namenstagen mit Geldgeschenken,
Wäsche und Kleidungsstücken, und bedenken sie auch sonst mit allerlei Gaben, zum
Beispiel zu Weihuachteu mit „Kletzeubrod", im Fasching mit Krapfen, zu Ostern mit
rothen Eiern nnd „Osterslecken" oder „Osterfladen" n. s. w. Hat das Pathenkind ein
gewisses Alter erreicht, erhält es seine „Abfertigung", bestehend in einem Geldgeschenke
und einem vollständigen Anzüge. Doch erleidet dadurch das verwaudtschaftliche Verhältniß
zu einander keine Änderung, indem die Pathen mit ihren Pathchen für die Lebenszeit in
enger Berührung bleiben und sich rechtschaffen um das Wohl und Wehe derselben kümmern.
Ähnlich verhält es sich auch zwischen den Firmlingen und ihren „Göden".
Den Glanzpunkt des Familienlebens und oft auch einen außerordentlichen Festtag
für eiueu ganzen Ort bilden die Hochzeiten. Die hierbei üblichen Gebräuche sind sehr
zahlreich, im Einzelnen sehr mannigfaltig, tragen jedoch im großen Ganzen so ziemlich
denselben Charakter wie in den übrigen Alpenländern, daher denn auch hier uur einige
wesentliche und charakteristische Sitten Beachtung finden sollen. Hat der „Bittelmann"
seine Sache gut gemacht und nicht, wie man in einigen Gegenden Mittelsteiers zu sagen
pflegt, sich einen „Scholpaß" ' geholt, so wird auf die „Beschau" gegangen und endlich,
wenn Alles in Ordnung, zur Hochzeit geladen. Dies besorgt der „Ladner", häufig vom
Bräutigam begleitet, und bringen sie ihr Anliegen stets mit einer bestimmten, oft gereimten
Formel vor; in den ärmeren Classen gehen zuweilen der Bräutigam uud die Braut zur
Hochzeit laden und sammeln hierbei Geschenke für die Aussteuer eiu. Die Sitte, daß die
Braut zuerst geladeu wird, sich aber versteckt und erst gesucht werden muß, kommt
insbesondere iu der nordöstlichen Steiermark vor. Ebenso findet hier und dort der alte
Brauch noch statt, daß man dem Bräutigam, wenn er mit den Gästen die Braut zu holen
kommt, das weibliche Dienstpersonale und zuletzt erst die Braut selbst vorführt. Eiue
andere alte Sitte herrschte noch zu Aufaug dieses Jahrhunderts in den Gegenden des
Murbodens; es wurde uämlich der vornehmste Hochzeitsgast in das jungfräuliche Stübcheu
zu der im tiefen Neglige befindlichen Braut geführt und mit dieser so lange allein
belassen, bis sie mit ihrer Hochzeitstoilette fertig war, worauf sie dann, nachdem auf ihr
' Bund Stroh.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch