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Brautführer als letzten Tänzer den Bräutigam in den Kreis. Während dieser mit seinem
jungen Weibchen tanzt, verlöschen alle Lichter im Tanzsaale, jedoch dauert die Finsterniß
nur so lange, daß der Bräutigam der Braut das Kränzlein ungesehen abnehmen kann,
worauf dann die Lichter wieder angezündet werden. Die in Niederösterreich übliche Sitte
des „Brautsederns" kommt auch iu der nordöstlichen Steiermark vor; es steigt die Brant
ans den Tisch und „fliegt" vou diesem in die Arme des Brautführers, der dann mit ihr
den Ehrentanz beginnt; der Brautführer löst ihr auch beim „Kranzelabtanzen" den Braut-
kranz ails den Haaren nnd übergibt ihn dem Bräutigam. In Schölbing geschieht dies
ans die Schlnßzeilen eines Liedes hin, lautend:
„Kranzerl weg und Häuberl her.
Bist kein Jungfrau nimmermehr!" —
von Seite der „Brautmutter", die den Kranz für eine kurze Zeit auf den Hut des
Bräutigams steckt, dann aber wieder herabnimmt und fortträgt.
Ist die Hochzeit zu Ende, wird den Brautleuten uud vornehmsten Hochzeitsgästen
„heimgeblasen", in einzelnen Orten den Brautleuten bei dem Aufbruche auch noch das
„Wiegenlied" gespielt. Der Brauch des „Wiegenholzführens" findet besonders in den
nordöstlichen Gegenden Mittelsteiers in eigenartiger Weise statt. Ein Halbwagen oder
Schlitten wird mit einem langen Seile versehen, an welchem Querhölzer angebracht sind,
an denen sämmtliche jüngere Hochzeitsgäste ziehen. Unter Jauchzen, Gesang, Musik uud
Pistolenschüssen entfernt sich das sonderbare, von vermummten und maskirten Gästen mit
langen Strohpeitschen gelenkte Gespann. Hat man einen passenden Baum gesunden, so
wird er rasch gefüllt, auf das Gefährte gelegt, und im tollen Jubel geht es dann zum
Hochzeitshause zurück, wo die Braut überredet wird, sich das Wiegenholz anzusehen. In
Obersteier wird dieser Brauch gewöhnlich einfacher geübt, nämlich ein „grüner" Baum
aus dem Walde geholt, mit Bändern und Stränßchen geziert und vor das Haus des juugeu
Ehepaares gelegt, so daß dadurch das Hausthor „verrammelt" wird.
Die Überführung der Heiratsausstattung geschieht in mehr oder weniger festlicher
Weise. Iu der Radkersburger Gegend herrscht noch die Sitte, den Wagen der ans
dem Elternhause scheidende» Brant mit „Spinnrad und Wiege", den beiden sinnigen
Attributen der Hausfrauenwürde, zu krönen.
Wie in den Gebirgsländern überhaupt sind auch in Steiermark sehr zahlreich die
Meinungen, Vorbedeutungen und Sprichwörter, welche sich auf die Liebe, Hochzeit uud
die Ehe beziehen. Nicht minder als in diesen äußert sich des Volkes Neigung zum
Wunderbaren uud Zauberhaften auch in seinen Krankheitsanschauungen und seinem Heil-
wesen. Dem Volke gilt die Krankheit nicht als eine Störung der Functionen des Körpers,
nicht als das pathologische Product regelwidriger Vorgänge im Organismus, sondern als
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch