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Das „Bstattnngsessen" findet noch in vielen Gegenden statt. Am Murboden, in der
Umgegend von Knittelfeld, herrscht die Sitte, daß vor der Thiir des Zimmers, worin das
„Bstattnngsmahl" abgehalten wird, ein Waschbecken nnd ein Handtuch bereit gehalten
werden, damit jeder „Geladene" von dem Grolle, den er möglicherweise gegen den
Verstorbenen hegte, sich reinige, ihn gleichsam „abwasche", bevor er sich zum Leichen-
schmaus setzt.
Seinen Schmerz über eiueu verlorueu Theuren änßert der steirische Landmauu nicht
leicht in lauter, Wildklageuder Weise, begräbt ihn vielmehr in sich selbst, bewahrt aber
dafür deu Heimgegaugeueu desto läuger uud aufrichtiger im guten Angedenken. Klein ist
auch die Zahl der schlichten Grabkreuze, die so einen Dorffriedhof zieren. Denn nicht
immer wird Einem da ein Denkmal gesetzt, wo er begraben liegt; dagegen liebt man es,
an jene» Stätten, wo ein Mitmensch mitten in seiner Lebens- uud Schaffenskraft vou
gewaltsamem Tode plötzlich ereilt worden, ein einfaches Gedächtnißmal, eine sogenannte
„Martertafel" zu setze», die oft mit rührender Naivetät durch Wort uud Bild vou dem
geschehenen Unglück Knude gibt uud den Todten dem frommen Gebete der Vorübergehenden
empfiehlt.
Der Meinungen uud Sagen, welche sich an den Tod knüpfen, leben im Volke gar
viele. Unheimlich klingen die Sagen vom „Tod" und von der „Tödin" oder dem „Pest-
mandl" uud dem „Pestweibl", welche oft, ersterer stets mit der Sense, letzteres mit dem
Reche» uud dem Kehrbesen gesehen worden sind, wenn die Pest im Lande wüthete. Zuweilen
zeigte auch ein glühendes Rad diesen Würgengel an. In Radkersbnrg rollte eine schwarze
Kngel, die „Klag", als Vorbote schwerer Ereignisse des Nachts winselnd dnrch die lange
Gasse. Vieles erzählt der Volksglauben anch von dem „Anmelden" der Todten, vom
„Herumgeistern" solcher, die in einer schweren Sünde verstorben, von der gespenstischen
„Mitternachtsmesse" und von der „Schwur-" oder „Zwingmesse".
Das Leben des Steirers ist ein mühevolles, ein Leben voller Arbeit, und doch ist es
kein frendenleeres, denn es ist durchflochten von einem Kranze alter sinniger Gebräuche.
Wird an einem Hause oder an Wirtschaftsgebäuden eine größere Reparatur vorgenommen
oder gar ein Neubau aufgeführt, so finden sich dazu die Nachbarn ein und legen emsig Haud
an, so daß also die Arbeit nur zum geringen Theile von eigentlichen bezahlten Profefsionisten
und Fachleuten besorgt wird. Wer verhindert ist, selbst mitzuthun, schickt gleichsam zum
Glückwünsche Schmalz uud Butter, zuweilen auch noch andere Vietnalien, auf daß die
Arbeiter leichter verköstigt würden. Der Überbringerin dieser Gaben kommen die Bauleute
freudig lärmend entgegen; nach einigen Tagen folgt das Gegengeschenk, welches meist in
einem Korb „Krapfen" besteht. Ist dann der Bau glücklich beendet, so wird unter allerlei
Formalitäten das bebänderte „Firstbänmcheu" aufgesetzt uud hierauf zu Ehren der wackeren
Steiermark. 11
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch