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Marksteine den Namen des angrenzenden Besitzers und versetzt ihm hierauf eine derbe
Maulschelle, auf daß er sich die Grenze ja gut merke und sie künftig nicht verrücke, um
etwa auf solch unrechtmäßige Weise sein Besitzthum zu vergrößern und sich zu bereichern.
Auch unterläßt es dabei der Bauer nicht, seinem Sohne den alten, in der strengen Rechts-
anschannng des Volkes begründeten, tief eingewurzelten Glauben einzuprägen, daß, wer
einen Grenzstein verrückt, nach seinem Tode so lange keine Rnhe im Grabe finden kann
nnd als ruheloser Geist in Gestalt eines kopflosen oder feurigen Mannes, als ein
sogenanntes „Fuchtelmännchen" nächtlicher Weile herumgespenstern muß, bis der Stein
wieder auf seinen rechtmäßigen Platz gesetzt wird.
In allen diesen Änßernngen des Volksglaubens liegt eiu tiefer ethischer Siuu,
spiegelt sich die Gemüths- uud Gedankenwelt des Volkes. Mehr noch aber gilt dies von
den an die kirchlichen Feste sich knüpfenden sinnigen Gebräuchen und Si t ten, alther-
stammenden Meinungen und Sagen; da zeigt sich uns das Volksleben so recht in seiner
schlichten geistigen Blüte, in seinem Reichthum an anffalleuden Erscheinungen und
interessanten Zügen.
Da ist vor Allem das Weihnachtsfest, die hehre Feier der Geburt Christi. Ein-
geleitet wird der Weihnachtscyklus durch den Advent, zu welcher Zeit es im Oberlande
vielfach gebräuchlich ist, Bildwerke der heiligen Maria und des heiligen Josef von Haus
zu Haus zu tragen, dabei zn beten uud während der Nacht ein brennendes Lämpchen
davor zu stellen.
Die Thomas-, Christ-, Sylvester- und Dreikönigsnacht sind „Lößlnächte", letztere
drei auch „Rauchnächte" genannt. Von den zahlreichen Lößlarten sei hier nur das am
Murboden geübte „Hackbrnckenschau'n" erwähnt. Die „Hackbrucken" ist ein der Länge
nach durchsägter Holzhackstock, mit der rnnden Seite nach abwärts und auf vier Füße«
ruhend, und dient als Unterlage beim Hacken von Fleisch und dergleichen; auf der oberen
ebenen Fläche nun kann man in der Christnacht zwischen dem ersten nnd letzten Schlage
der zwölften Stunde die Zukunft im flüchtigen Bilde fchanen. Überhaupt übt die Christuacht
ihre» geheimnißvollen Zauber auf jedermann aus; man kann da die Thiere reden hören, in
der „Metten" die Hexen erkennen. Schätze heben, den Teufel beschwören n. s. w. Zahlreich
sind die Sagen, die darüber im Mnnde des Volkes leben, so die vom „goldenen Kalbe"
auf dem Lauskogel bei Eisenerz, vom „Kind im Gansstein" n. f. w. Im Raabthale kennt
man eine besondere Art des Teufelsbeschwörens, genannt das „Fornichsainborfen".
Am Stefauitage findet die kirchliche Weihe des Wassers und Salzes statt; beides
gilt als anerkanntes Präservativmittel gegen Hexerei und tenslische Künste. Besondere
wunderkräftige Wirkung besitzt auch der am darauffolgenden Tage geweihte „Johannis-
wein". Im oberen Ennsthale ist an diesem Tage das „Schwartlingschneiden" üblich. Da
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch