Seite - 209 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Steiermark, Band 7
Bild der Seite - 209 -
Text der Seite - 209 -
209
jene Landstriche, welche vom großen Verkehr weiter abliege», da die Bewohner der
Gegenden, welche der Welt näher liegen, hänfig zurückhaltender sind, lange nnd sorgsam
beobachten, weil sie die Welt besser und oft nicht gerade von der schönsten Seite kennen
gelernt haben. Begegnet man Mißtrauen, so darf man versichert sein, daß der Grund in
üblen Erfahrungen liegt, welche der Betreffende sich geholt hat. Die große Masse ist
überhaupt für Belehrung nicht nur nicht unzugänglich, sondern sogar sehr dankbar, wenn
sie iu entsprechender Form und leichtfaßlicher Weise geboten wird und der Lehrende
sich nicht gar zu hoch über seine Schüler stellen will. Von den Charaktereigenschaften,
welche das Volk auszeichnen, steht die Ehrlichkeit nnd Mäßigkeit obenan; den Fleiß
kann man ihm anch nicht absprechen, solange die Hoffnung winkt, daß seine Arbeitsamkeit
zum ersehnten Ziele führen wird. Bei allem ausgebildeten Nationalgefühl fehlt ihm
doch die Unduldsamkeit gegen andere Völker und Glaubensbekenntnisse, ja es weiß genan
zn schätzen, wie viele Vortheile ihm die Kenntniß fremder Sprachen und die Bekanntschaft
mit fremdem Wesen bringen kann, wobei freilich der Unerfahrene oder Halbgebildete
leicht in die Fehler verfällt, mit Fremdem sich schmücken nnd dadurch an Ansehen
gewinnen zu wollen.
Bei aller Friedensliebe entwickelt der Slovene große Tapferkeit im Kampfe für das
angestammte Herrscherhaus, insbesondere dann, wenn seine Führer ihm mit gntem Beispiel
vorangehen und ihn zu behandeln wissen, denn ein gutes Wort von einem Höheren wirkt
bei ihm mehr als Ermahnungen und Strafen.
In deu Herzeu der Bevölkerung hat die Religiosität tiefe Wnrzeln geschlagen. Eine
Folge davon ist das unverbrüchliche Vertrauen, welches sie dem Seelsorger entgegenbringt,
denn dieser theilt Frende und Leid mit ihr, ist in den meisten Fällen demselben Stande
entsprossen, kennt ihre Bedürfnisse und versteht das innere Weben und Streben ihrer
Seele. Darum hat auch der Geistliche de» größten Einfluß, iusbesvudere, wenn er nicht
nnr mit dem Munde lehrt, sondern anch mit dem Herzen.
Gleiche Achtung bringt man auch den Behörden entgegen und weiß sich genan den
Ansordernngen zu fügen, welche dem Einzelnen die Gesammtheit auferlegt. Außerdem
leben noch Spnren der alten slavischen demokratischen Verfassung im Gedächtniß, so daß
ost noch Streitigkeiten zwischen den Gemeindemitgliedern durch deu Ausspruch angesehener
Gemeindegenossen geschlichtet werden. Fälle von Starrsinn und Widerspenstigkeit gegen
die Auorduuugen der Behörden sind selten, insbesondere in jenen Gegenden, welche, von
der Natur besser gesegnet, dem Landmann eine größere Wohlhabenheit gewähren nnd
seinen Besitz sichern; dort hingegen, wo die Ungnnst der Verhältnisse den Bauer um seinen
Besitz bringt nnd der frühere Eigeuthümer nach uud uach zum besitzlose» Arbeiter wird,
zeigen sich allerdings die Folgen des Rückganges auch an den körperlichen und geistigen
Steiermark.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch