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Es sind dies die Freisinger-Denkmäler. Diese Denkmäler enthalten zwei slovenische
Beichtgebete und eine slovenische Homilie über die Sünde, und zwar in der Sprache der
damaligen Karantaner-Slovenen. Da diese Denkmäler unzweifelhaft slovenisch sind uud
der Sprache der pannonischen Denkmäler so nahe stehen wie kein anderes slavisches
Denkmal, so ist es klar, daß auch umgekehrt dadurch auf die fraglichen pannonischen
Denkmäler selbst ein neues Licht fällt, welches erkennen läßt, daß dieselben, weil ihre
Sprache derjenigen der Freisinger-Denkmäler so nahe steht, auch in deren örtlicher
Nähe entstanden sein müssen. Es können demnach diese eigenartigen slavischen Denkmäler,
die nicht bulgarisch, nicht kroatisch, nicht serbisch, nicht russisch siud, dagegen der
sloveuischeu Sprache, wie sie in den Freisinger-Denkmälern überliefert ist, so nahe
stehen, sonst nirgends als in Karautauiens Nähe, das ist in Panuouieu entstanden sein.
Nicht blos die Geschichte, sondern auch die Sprachwissenschaft weist also darauf hin, daß
im IX. Jahrhundert in Pannonien die fragliche liturgische Sprache, die altsloveuische
Sprache gesprochen und zu Zeiten des heiligen Cyrill und Method der Gottesdienst in
dieser Sprache abgehalten wurde.
Indeß diese Richtung der Entwicklung war in Pannonien nur von vorübergehender
Dauer. Nach Methods Tode wurden seiue Schüler aus Pannonien vertrieben, die Wogen
der Zeit brausten über Paunouieu, von Osten drangen die Ungarn, von Nordwesten die
deutschen Stämme vor. Gegenwärtig bewohnen die Slovenen in Ungarn nur noch den
westlichen Rand des Landes und berühren sich in der Umgebung von Radkersbnrg mit
den Slovenen der südlichen Steiermark.
Diese Slovenen nun, soweit sie nämlich auf dem ehemalig pannonischen Boden
wohnen, das sind die Slovenen in Ungarn und in der östlichen Steiermark, ferner die
Reste der slovenischen Bevölkerung in Kroatien-Slavonien, gehören demnach noch zu den
Nachkommen der alten pannonischen Slovenen. Sie sprechen hente wie damals die slovenische
Sprache. Nur ist die Sprache heute etwas verändert, denn auch die Sprache keimt keiueu
Stillstand, sondern sie ändert sich „wie das Laub au den Bäumen, welches im Herbst
abfällt und im Frühjahr neu ersteht". Die Gelehrte» nennen deßhalb die Sprache der
gegenwärtigen Slovenen die nenslovenische Sprache zum Unterschied von der Sprache
der Slovenen im IX. Jahrhundert, welche altslovenisch genannt wird. Freilich kommt noch
ein Moment hinzu, wenn von der nenslovenischen Sprache die Rede ist. Jnsoserue uämlich
heute die nenslovenische Sprache auch die Schriftsprache aller Sloveneu bezeichnet, ist jene
Thatsache hervorzuheben, daß schon zur Zeit des heiligen Cyrill uud Method die Sprache
der norisch-karantanischen und die der pannonischen Slovenen dialectisch verschieden war.
Diese Verschiedenheit tritt bereits in den Freisinger?Denkmälern zu Tage. Demnach ist die
ueusloveuische Sprache zunächst ein Dialect, der sich frühzeitig auf dem ehemaligen norischen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch