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Früher hingen die Mädchen jene Würste bei der Franenstatne auf, welche beim
Braten vom Spieße abfielen, was so viel wie Untreue des Geliebten bedeutet.
Über die Entstehung des Branches erzählt eine Sage, ein Judenmädchen habe ihrem
Geliebten, einem christlichen Fleischerburschen, den beabsichtigten Überfall der Christen
dnrch die Juden mittelst einer an der Frauensäule ausgehängten Wurst sigualisirt, worauf
der Überfall und die Vertreibnng der Juden durch die Christen erfolgte.
Am Lichtmeßtage tragen in der deutschen Oase Eisenkappel Kinder und Erwachsene
bei Anbrnch der Dämmernng aus Pappe gefertigte, verschiedenartig geformte, bunt
gefärbte und mit Kerzen erleuchtete Kirchleins aus dem Markte gegen das Schloß
Hagenegg flußaufwärts und übergeben diese Cartonagearbeit von der Brücke aus dem
Vellachslnsse. Den schwimmenden Kirchen folgen in Procession die Anfertiger derselben
und an deren Spitze geht ein alter Mann, der die Verse des Lobgesanges des Simeon:
ctimittis servum tuum" vorsingt. Darauf antwortet der Chor: „(Zlorm patri«.
Dieser Brauch soll an eine große Wassergefahr erinnern, die vor 200 bis 300 Jahren
den Markt Kappel bedrohte und durch Einsetzung einer aus Brettern und Pappe gemachten
hell beleuchteten Kirche in das Wasser der Vellach abgewendet wurde.
Am Agathentag (5. Febrnar) oder am nächstfolgenden Sonntag versammeln sich
die Leute der Umgebung aus den Ortschaften Grafenstein, Diex, Globasnitz, Völkermarkt,
St . Veit, Möchling, Sager, Skarbin, Galizien, Eberndorf, St. Kanzian, St. Filippen?e.
sammt den Einheimischen und oft an 500 bis 600 Arme, die von ganz Kärnten zusammen-
strömen, vor der freundlich gelegenen, eine reizende Aussicht gewährende» Kirche in Stein.
Nach dem festlichen Gottesdienst findet gemäß des Willens der hier beerdigten Gräfin
Hildegards, der Gemalin des Markgrafen Alboin, welche als Heilige verehrt am
5. Februar 1027 nahezu 100 Jahre alt starb und laut Stiftbrief ihr ganzes Vermögen
den Armen widmete, die „Spende und Abspeisnng der Armen" statt. Sie gestaltet sich zn
einem förmlichen Volksfeste. Die im Pfarrhofe in Stein aus einem gewissen Quantum
Roggen eigens gebackenen nnd geweihten Brote werden von dem Pfarrer von Stein und
den Kirchenkämmerern an die Armen vertheilt.
Die sogenannten „Agathenstrüzl" werden auch aus Roggenmehl gebacken; sie sind
etwa so groß wie eine wälsche Nuß. Diese Strüzl werden in großer Zahl von dem Pfarrer,
den Kirchenkämmerern und Sängern vom Gange vor der Kirche unter das hier zahlreich
versammelte Landvolk geworfen. Da man diesen Strüzln wunder- und heilsame Wirkungen
zuschreibt, so rauft man sich völlig um ihren Besitz. Die Strüzl sind ein gutes Mittel
gegen alle Krankheiten des Viehs, sie schützen vor Verzauberung, gegen Blitzschlag und
das Abwälzen von hoher Alm. Fängt das Strüzl bei Demjenigen, der es beim Auswerfen
einfing, zu schimmeln an, so bedeutet das so viel wie Tod. Das Strüzlwerseu ist noch
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kärnten und Krain, Band 8
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kärnten und Krain
- Band
- 8
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 23.03 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch