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sieht mit gespannter Neugierde der Kunst des Fähnrichs zu, dessen Aufgabe es ist, die
Fahne so geschickt zu drehen, daß ihre Spitze niemals am Bodeu anstößt. Dem ersten
„Fohndraher" folgt ein zweiter, ein dritter und so fort und derjenige, der die beste Leistung
liefert, erhält von einer Dorfschönen einen Blumenstrauß. Während des „Fohndrahens"
sammelt der Rottmeister unter den Zuschauern das Pulvergeld für die Salvenschüsse ein.
Der Brauch dürfte das Überbleibsel eines alten Landsknechtspieles sein.
In der Nacht vor dem Frohuleichnamstage setzen die Kärntner Slovenen vor das
Haus ihrer Liebsten einen Mai bäum. Man nimmt dazu hohe schlanke Fichten, welche
ganz abgeschält und mit Blumen und Kränzen geschmückt sind. Auf die Spitze des Baumes
wird ein hölzerner Hahn befestigt und unter dem Hahn zwei hölzerne Säbel in Kreuzform
angenagelt. Der Baum wird streng bewacht, damit der Wipfel nicht abgesägt werde, was
eine Schmach bedeuten würde.
Am Vorabend des 24. Juni und in der Nacht dieses Tages werden auf den Höhen
der Berge Sunnwend- oder Johannifeuer angezündet. Bursche und Mädchen tanzen um
das Feuer und springen wohl auch über dasselbe, damit sie kein Fieber bekommen und
der Flachs gut geräth. Am Johauniabend wird auch „gleaslt" und der Farrnsamen
gesammelt, mit dem man sich unsichtbar machen kann. An vielen Orten findet nebst dem
Snnnwendfeuer das „Scheibenschlagen" statt, wobei oft sinnige, oft auch zotige
Reimlein citirt werden. Im oberen (Deutsch-) Gailthal darf sich kein Mädchen dem
Suuuweudfeuer nahen. In Gebüschen, hinter den Zäuueu halten sich die Mädchen
versteckt, um auf die Sprüche der Scheibenschlager zu „ließneu" (horchen). Bei den
Slovenen ist Sonnenwende (ki-eS) eines der höchsten Feste. Das Wort kres stammt vom
Worte Lresali, welches Feuer aufschlagen bedeutet, her. Im Gailthal pflückt man am
Nachmittag des 23. Juni verschiedene Blumen, namentlich Maßlieb, die Wiesenkönigin
(kresniea), welche wie die Sonne in der Mitte gelb ist und ringsum gleich Strahlen
weiße Blättchen hat. Mit diesen Blumen werden Vorhaus und Zimmer bestreut, wo
sie bis zum nächsten Morgen liegen bleiben. Auch stellt man hinter die Thür so viele
Blumen, als Leute im Hause sind. Wessen Blume über Nacht am stärksten welkt, der stirbt
zuerst. Vor die Fenster stellt man Spierstaudenblüten. Der Spierstandensamen und vier-
blättriger Klee sind Zauberkräuter. Wer den ersteren im Sack trägt, ist unsichtbar. Man
gewinnt ihn, wenn man bei Sonnenaufgang ein weißes Tüchl, das ein siebenjähriges
Mädchen gewebt hat, unter die Staude breitet. Den vierblättrigen Klee nmß man vor
Sonnenaufgang mit dem Mnnde abpflücken.
Abends geht Jung und Alt auf den Platz, wo das Kresfeuer brennen soll. Dasselbe
wird von einem unschuldigen Mädchen entzündet. Bursche und Mädchen singen und
jubeln oder unterhalten sich mit Scheibenschlagen. Vom Kresfeuer muß man einen
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kärnten und Krain, Band 8"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kärnten und Krain, Band 8
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kärnten und Krain
- Band
- 8
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 23.03 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch