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vollends in die Macht- und Interessensphäre eines fremden mächtigen Volksthnms und
Staatswesens gezogen und aller Attribute ihrer einstigen Selbständigkeit allmälig
entkleidet wurden, dann finden wir jene Erscheinung nicht nur nicht auffallend, sondern
schlechthin natürlich.
Ganz anders liegen in ihren Anfängen die kulturellen und literarischen Verhältnisse
bei den pannonischen Slovenen. Zwar wurden auch sie von Salzburg aus für das
Christenthum gewonnen und Alles spricht dafür, daß auch ihre Hingabe an die neue Lehre
zunächst eine rein äußerliche war und somit in intellektueller uud literarischer Beziehung
keine sichtbaren Erfolge aufweisen konnte, allein die Sachlage änderte sich mit einemmale,
als die mit der segensreichen Wirksamkeit der Slavenapostel Kyrill und Method im
nächstenConnex stehende nationale Kirchenverfassung in Pannonien zurGeltung gelangte.
Mit Recht bemerkt der Chronist: „Und es frohlockten die Slovenen, als sie die Herrlich-
keiten Gottes in ihrer Sprache vernahmen." Biblische und liturgische Schriften wurden
in die Volkssprache übertragen, und was wir heute die ältesten glagolitischen und kyrillischeu
Denkmäler heißen, das wurzelt in Pannoniens Boden. Pannonien wurde damit zur Wiege
der slavischen Literatur überhaupt, das pauuouische Altsloveuisch zum Sanskrit unter den
übrigen Slaviueu. Auf die Denkmäler selbst einzugehen, bleibt uns an diesem Orte versagt,
sowie wir in der viel umstrittenen Frage nach ihrer sprachlichen Zugehörigkeit uns mit der
Bemerkung begnügen müssen, daß historische wie sprachliche Gründe mit Entschiedenheit
auf Pannonien als ihre Heimat weisen. Auf die späteren und heutigen ethnographischen
Verhältnisse übertragen, wird strenge genommen zwar nur der auf dem ehemaligen Uuter-
pannonien seßhafte Theil der Slovenen sein Eigenthumsrecht auf diese Denkmale geltend
machen können, indessen ist und war die Sprache dieser Slovenen von jener aller übrigen
nur dialectisch verschiede» und wäre es eine Verkehrtheit sondergleichen, die beiden im
Grunde nicht als identisch anzunehmen, wie denn auch unter anderem eine eminent ein-
schlägige werthvolle Salzburger Aufzeichnung aus dem Jahre 872 das ethnische Moment
richtig faßt, wenn sie Karantanien und Unterpannonien mit dem Namen Slavinien
bezeichnet. Der mit den Namen der beiden Slavenapostel verknöpften segensreichen
Literatur- und Culturthätigkeit sollte eine nur kurze Dauer beschicken sein. Sofort nach
Methods Tode (885) gelangten in Kirche wie Star. '.stände zur Reife, die dieser
Thätigkeit ein rasches Ziel setzten und sie zu einer bloßen, wenn auch glänzenden Episode
machten. Methods Schüler, darunter der von ihm zum erzbischöflichen Nachfolger im Amte
bestimmte Gorazd, wurden des Landes verwiesen und fanden bei den sprachverwandten
Bulgaren gastliche Aufnahme und einen für ihre Geistesarbeit empfänglichen Boden. Die
kirchlichen und politischen Zustände der pannonischen Slovenen wurden nun von jenen
der karautauischeu in nichts Wesentlichem verschieden und hatten da wie dort die geistige
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kärnten und Krain, Band 8"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kärnten und Krain, Band 8
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kärnten und Krain
- Band
- 8
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 23.03 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch