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Volkslieder von Stanko Vraz (1839) und Em. Korytko (1839 bis 1844, fünf Bändchen)
Aufnahme fanden. Die knnstpoetifchen Beiträge sind, wie dies ja anders auch nicht zu
erwarten ist, von sehr verschiedenein ästhetischen Werthe, aber das Bestreben, von fremder
Schablone sich thunlichst freizuhalten und dafür in feinem Denken und Fühlen jenes der
Volkspsyche zu reflectiren, ist ein der großen Mehrzahl nnter ihnen eigener, nicht zu
unterschätzender Vorzug.
Eine glänzende Erscheinung unter den aufstrebenden Dichtern ist Franz Preseren
(geboren von bäuerlichen Eltern am 3. December 1800 zu Viba nächst Veldes iu
Oberkrain, gestorben am 8. Februar 1849 als Advoeat in Krainbnrg), insofern er sie
alle sowohl an intensiver wie extensiver Geistesbildung, an natürlicher Begabung,
schöpferischer Kraft und Gestaltungsvermögen, als auch iu Bezug auf poetische Technik,
Diction und Sprache weit überragt. Aber auch Vodnik übertrifft er iu dem Maße, iu
welchem ein künstlerisch mäßig entwickeltes Talent vom Genie übertroffen werden kann.
Ein paar Jahrzehnte nur treuueu die Thätigkeit beider, aber welch eiu Unterschied nach
Inhalt wie Form zeigt sich nicht in ihren poetischen Erzeugnissen! Vodnik traf das
Nichtige, indem er nach einigem Schwanken sich für die accentnirende Rhythmik gegenüber
der quantitireudeu entschied, aber da er sich in Bezug auf die Versmaße an die Einfachheit
des Volksliedes hielt und fast daranf beschränkte, sind diese, sowie zumal seine strophische
Architektonik eintönig und wirken, da sie zu wenig Abwechslung bieten und überdies
zuweilen auch zum behandelten Sujet nicht am besten passen, auf die Dauer fast abspannend.
Welche Mannigfaltigkeit bei knnstmäßiger Exaktheit dem gegenüber bei Preseren! An
Mustern der classischen und der Poesie mehrerer anderer Culturvölker trefflich gebildet,
führte er eine Menge poetischer Formen in die Literatur ein. Er sang zuerst in männlichen
und weiblichen Assonanzen, in der Nibelungenstrophe und in Distichen, in Terzinen und
Ottaven uud von ihm datiren die ersten Ghaselen und Glossen, Sonette und Epigramme,
Romanzen und Balladen, Elegien nnd Satiren. Dabei kennt er den Geist jedes Vers-
maßes geuau und trifft immer die richtige Wahl, sowie er durch den tadellos reinen,
abwechslungsreichen Reim nnd das liebliche mundartliche Colorit der Sprache den Zauber
seiner Poesie noch erhöht. So wird die poetische Darstellungskunst dem gedankentiefen
inneren Gehalt iu alle» Richtungen gerecht und ist jedes einzelne dieser poetischen Gebilde
ein organisches Kunstwerk für sich selbst, wie solche nur von genialen Naturen können
geschaffen werden. Darum ist auch die Frage, ob des Dichters Individualität in dem
unvergleichlichen lyrisch-epischen „Krsl pri 8avici° (Die Taufe an der Savica) oder in
den einschmeichelnden Liedern im engeren Sinne, in Sonetten oder Ghaselen n. s. w.
zu vollerer Entfaltung gelangt, von untergeordneter Bedeutung. Obzwar jede in ihrer
Art, sind alle diese Schöpsnugeu doch gleichmäßig von reiner künstlerischer Schönheit und
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kärnten und Krain, Band 8"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kärnten und Krain, Band 8
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kärnten und Krain
- Band
- 8
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 23.03 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch