Seite - 12 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9

12 Szegedin, Debreczin, Hödmezö-Vasärhely, u. s. w. ein so außerordentlich großes Areal einnehmen und ihren Gemarkungen so viele Puszten mit Wirthschaften und Meierhöfen einverleibt sind. Aber gegenwärtig bevölkern sich, wie wir bereits bemerkten, die Pnszten immer mehr, es vermehren sich die Gehöfte und entstehen auch neue Gemeinden. Wo es noch vor Kurzem ungeheure Weiden und Hntnngen gab, welche blos von Pferde-, Rinder-, Schaf- und Schweineherden bevölkert waren und auf welchen man nur hier und da eine halbverfallene Hütte, eine rauchgeschwärzte Schenke, eine Hürde und einen Ziehbrunnen sah, dort findet man jetzt wohlangebaute Äcker, üppige Obstgärten und freundliche Wohnungen. Ja, man hat vielleicht sogar die Hntnngen schon mehr als wünschenswerth beschränkt und mau hält weniger Rinder und Schafe, als nöthig wäre. Die einst so berühmten und berüchtigten Roß-, Schaf-, Rinder- und Schweinehirten, von welchen manche fremdländische Schriftsteller so Vieles zu erzählen wußten, verschwinden immer mehr und die ehemaligen Stammgäste der Heideschenken, die Betyären uud armen Burschen leFenxek) leben nur noch in Märchen und iu der Phantasie einiger ausländischer Schriftsteller. In der That, die ungarische Tiefebene verliert immer mehr den Charakter der Abgeschlossenheit und der Romantik und zugleich entkleidet sie sich auch zum Theil ihrer poetischen Schönheiten. Aber dennoch besitzt sie noch ihre natürlichen eigenthümlichen Reize, und die weithin offene Ebene ist der Schauplatz vou höchst interessanten, überraschenden Naturerscheinungen, die je nach den Jahreszeiten abwechseln. Finstere Dunkelheit lagert auf der großeu Ebene, ein düsterer graner Schleier hüllt den Himmel ein, Grabesstille herrscht rings umher: da zuckt im Osten ein weißer Streifen empor, dauu wieder einer und noch einer, endlich gießt sich ein matter weißer Schimmer am Saume des Gesichtskreises aus, da wo das Himmelsgewölbe auf der Steppe zu ruheu scheint, die Sterne erbleichen nach und nach und verschwinden. Heller und Heller wird es im Osten, die Gegenstände rings umher beginnen sichtbar zu werden, ihre Umrisse treten wie dunkle Schatten bei dem die Luft erfüllenden Lichtschimmer heraus, die zerfließenden Grenzen des Horizonts weichen nach allen Seiten zurück; der Raum, den wir überblicken, erweitert sich mehr und mehr, die Ebene erscheint schmnck und frisch, wie neu geschaffen. Schon zeichnet sich der ferne Brunnenschwengel in scharfen Umrissen ab, die Viehherden regen sich, die Kühe brummen halblaut, die Pferde trampeln, die Schafe blöken. Eine zarte Röthe schwebt am Himmel empor, sanft verschwimmt sie ins Violette, dann erhebt sich blutigroth die Sonne, nach uud nach zerreißt sie die Schleier, die sie umhüllten, plötzlich verschwindet das Roth des Himmels und das ganze Gewölbe desselben bedeckt ein tief- blauer Schimmer. Höher und höher klimmt die Sonne, immer glänzender und prächtiger erstrahlt sie, ein blanker, schillernder Stahlglanz breitet sich über den ganzen Himmel aus. Frische Kühle weht durch die Ebene, auf deu Grashalmen glitzern Thautropfen, die sich