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die ungarischen Fürsten und Heerführer in den Flußbetten begraben wurden. Abnlfeda
hat es aufgezeichnet, daß die Ungarn das Feuer anbeteten, trotzdem aber bestrebt waren,
in die Nähe von Flüssen zu gelangen.
Und das Wasser nnd das Feuer belehrten ihre Gläubigen, wie man zwischen ihnen
beiden sich erhalten könne! Und doch nimmt, wenn die beiden sich befehden, das dritte
Element, die Luft, meuschentödtende Eigenthümlichkeiten an.
Schon das Kiud härtet sich ab, um sich an das Klima zu gewöhnen: es watet durch
das Wasser, lebt uuter freiem Himmel. Die Lebensweise selbst treibt das Fieber aus. Im
Alföld nährt sich der Ungar reichlich mit Fleisch, mit Fischen, grüner Pflanzenkost und
Weizenbrod; die Fische holt er sich aus der Theiß und der Boden gibt in vielen Gegenden
zwanzig Körner bei einmaligem Ackern; jeder Speise fügt er die von der Natur dargereichten
würzigen Pflanzen hinzu; seiner Suppe Petersilie, Sellerie und Kümmel, seiner Wurst
Majoran und Knoblauch, seinem Kraut Dilleu; die fetten Speisen würzt er mit Kren,
Ingwer, Pfeffer und Senf; seinen Wein trinkt er mit Wermnth gemischt und zum Ansetzen
seines Morgenschnapses benützt er die junge Weidenrinde (er hat das Salieyl früher
erfunden als die Chemiker); die allgemeine Panacee aber ist der Paprika! Dies ist das
Mittel, welches das Fieber vertreibt, aber auch dem Fremden gar absonderlich vorkommt,
der zum ersten Male die mit Blut vergleichbare Fischsuppe ißt, dieses eßbare Feuer, für
den ungewohnten Gaumen. Dies ist das richtige Vineetvxicon: der Fiebertödter.
Überdies hat jedes Haus seine eigene Apotheke. Jede Hausfrau ist selbst der Haus-
arzt. Da wird keine Kurpfuscherei, kein abergläubischer Schnick-Schnack getriebeu, man
nützt den Schatz der vernünftigen Erfahrung aus. Diößeghi bespricht in seinem jetzt
schon selten gewordenen ärztlichen Pflanzenbuch die im ungarischen Volke gebräuchlichen
Heilmethoden. Dieses Werk wurde zu Beginn des Jahrhunderts geschrieben. In dem
geographischen Wörterbuche vou Alexins Fenyes sind anch die wirksamsten Heilpflanzen
ausgezählt, die an den Ufern der Theiß wachsen und von den Drognenhändlern in ferne
Länder versendet werden. Und das häusliche Heilverfahren des ungarischen Volkes hat
schon damals so manche Mittel in Anwendung gebracht, welche erst in neuerer Zeit vou
der wissenschaftlichen Heilkunst approbirt wurden. Die Heilmethode des Massirens übt
man seit undenklichen Zeiten in jedem ungarischen Dorfe. Deßhalb ist in jenen Ortschaften
an der Theiß selbst zur Zeit, wann man den Hanf bricht nnd ein Fremder infolge des
meilenweit verbreiteten mephitischen Hansgernches kanm Athem holen kann, das ansäßige
Volk gesund wie die Sumpflilie.
Die Ungarn längs der Theiß sind im Allgemeinen „Wassertrinker". Nicht etwa
weil das Volk den Wein nicht mag, sondern weil es selten welchen bekommt. Die Traube
gedeiht nicht in der Wassergegend, sie liebt auch den schwarzen Boden nicht; der Weinstock
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch