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der anderen erzählt. Mittlerweile ist aber die Sonne schon zweimal untergegangen; unser
Schiff hat bis Abäd zweimal Anker geworfen, und wir hatten wiederholt Gelegenheit,
uns in der Nacht an einer besonders zarten Morgenröthe zu ergötzen, die wir „aurora
alküläialis« nennen möchten. Man hat nämlich den Rohrwald angezündet, um an Stelle
des verbrannten Dickichts eine gute Weide für den Herbst zn bekommen; und das ist
es, was diese mitternächtliche Morgenröthe hervorruft. Bei bewölktem Himmel ist sie
besonders schön. Der Himmel mit dem rothen Reflexe ist ungestirnt, während die dunkle
Ebene vom Scheine zerstreuter Feuer, von hellen Hirtenfeuern in allen Richtungen voll
ist; und das ist die „gestirnte Erde".
Abäd liegt schon in der Nähe des Theißufers. Es wird durch die sandigen Hügel,
welche mit Weinstöcken bepflanzt sind, geschützt. Hier sehen wir den berühmten „Mirhö-
Damm", eines der allerersten Schutzwerke der Theißreguliruug, das bei allen neueren
Überschwemmungen der Theiß soviel von sich reden macht. Auf der vom Damm geschützten
Ebene dehnen sich Weizenfelder, Maisäcker, roth blühende Tabakfelder, und die goldgelben
Stoppelfelder mit den Reihen ihrer Weizenkreuze erfreuen das durch die Rohrwildnis
ermüdete Auge. Oben auf dem Damme sehen wir bereits die Wagen stauben; was Land-
straße ist, ist auch zugleich Schutzdamm, die Kerkermauern der eingeschlossenen Theiß.
Dann kommen wir durch die Inseln von Kötelek, in der Ferne sehen wir
Bänhalma, einst eine Stadt, jetzt eine bescheidene Pnszta, dann Nagy-Kürü, das sich
schon gewöhnt hat, fast sein ganzes Gebiet immer unter Wasser zu haben und endlich noch
weiterhin die Thürme Szolnoks, aber nur für kurze Zeit. Unser Dampfer fährt vorwärts
und Szolnok verschwindet dennoch wieder nnter dem Horizont. Die Theiß macht eben
eine große Krümmung und wir seheu Szolnok erst in der Abenddämmerung wieder
vor uns.
Szolnok ist bereits eine größere Stadt am Theißufer; einst war es eine berühmte
Festung. Im Befreiungskampfe war es der Ort einer entscheidenden Schlacht und ist auch
heute ein wichtiger strategischer Punkt; aber nicht wegen der Festung (von der hente kaum
mehr Spuren vorhanden sind), sondern wegen seiner Eisenbahnbrücke. Diese Eisenbrücke,
ein Meisterwerk des modernen Brückenbaues wird im laufenden Jahre fertig und wird
die Züge gegen Debreczin, Arad und Klausenburg hin befördern. Weiter oben bei der
Tokajer Fähre überbrücken die Anschlnßlinien der Nordostbahn den Fluß.
Unterhalb Szolnoks auf einer hügeligen Stelle erhebt sich Töszeg, selber geschützt
vor dem Arm der Theiß, aber so von Wasser umgeben, daß man nur noch über eine
schmale Landzunge hineingelangen kann. Unterhalb des Dorfes steht der den Alterthnms-
forschern wohlbekannte „flache Hügel", voll mit Überresten der Urzeit. Weiter abwärts folgt
Alpär, berühmt geworden dnrch die nationale Tradition, daß auf seiner Ebene Ärpad
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch