Seite - 58 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
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Die Flächen der höheren Theißnfer sind meistens Wohnsitze der Menschen gewordein
Fast jede hat ihr Dorf, aber die Theiß rückt immer drohender an die Hänser heran. Bei
manchem hängt der Gartenzaun schon lose in die Tiefe hinab, ja die Hätte selbst steht
bereits am steilen Rande, wenn sie nicht gar ihre Wasserseite schon der Theiß überlassen hat,
so daß hoch oben nur noch die andere Hälfte stehen geblieben, mit offener Flanke, dnrch
welche man den bauchigen Lehmofen erblickt mit seiner Ofenbank und seinem Osenwinkel.
Die Zeit kaun nicht fern sein, da auch dieser Rest hiuabsiukt und von der Theiß verschlungen
wird, wenn sie nur erst alles Erdreich uuter ihm hervorgespült hat.
Glücklicherweise sind jene Höhen nicht zahlreich, welche gerade in eine Krümmung
der Theiß hiueiuspriugeu und den Anprall ihrer Wellen auszuhalten haben. Die Gemeinden
und Städte haben sich etwas entfernter vom Strom angesiedelt, bisweilen zwei bis drei
Meilen weit, wo die Gefahr, weggewaschen zu werden, nicht so groß erscheinen mochte.
Weiter unten, zwischen den Städteu und Gemeinden, die man in großen Abständen trifft,
fchlängelt sich die Theiß in eiuem breiten, stachen Bette hin, einer bescheidenen Wasserader
ähnlich, die man glaubt, wo immer durchwaten zn können; in einem richtigen dürren
Sommer erstaunt man förmlich, daß der durstige Boden das Bißchen Wasser nicht einschlürft.
Wie anders nach schneereichen Wintern. Wenn Berg und Thal klaftertief unter
Schuee liegen, den der Frühling durch warmen Wind und Regeu zur Schmelze bringt, da
beginnt dieser harmlose Wasserlauf furchtbar zu werden. All der gefchmolzeue Schnee, alle
die Wasser und Fluten der Berge brausen plötzlich und gleichzeitig zu Thale; ihre Bahnen
sind noch kürzer und reißender geworden, seitdem die Regnlirnng die obere Theiß mit
Durchstichen versehen hat. In die Ebene hinausgelangt, füllen sie zusehends das seichte
Bett, welches alsbald raudvoll gegossen erscheint mit nnfläthigem Schlammgewässer. Und
immerfort wächst die Flut, immer höher steigt sie, immer weiter hiuaus dringt sie in den
Überschwemmungsbezirk vor, erst an der Sohle der Schutzdämme kommt sie zum Stillstand.
Wirklich zum Stillstand?
Nein. Immer noch steigt und schwillt die Flut. An der Sohle des Dammes stehen
die Pegel, die das Wasser messen nnd dessen Stand über dem Normalen, über dem Null-
punkt anzeigen. Mag das Wasser immerhin uoch eiueu Meter oder zwei vou der Scala
verschlingen, das wird den Dammschutz noch nicht gefährden. Im Gegentheil, ein „Fußbad"
thut den Dämmen eher noch wohl; desto fester werden sie sein, wenn sie nach der Durch-
feuchtuug sich besser gesetzt haben.
Doch die zürnende Theiß sucht das Alföld nicht immer mit Gefälligkeiten heim. Als
sie noch freie Herrin des ganzen Thales war nnd sich darin nach Herzenslust strecken und
dehnen durfte, ließ sie befruchtenden Schlamm hinter sich und kehrte schwerbeladen mit
unerschöpflicher Fischbrut in ihr Bett znrück. Jetzt, da Menschenhand ihr den Kappzanm
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch