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anprallenden Wellen auffangen und brechen soll. Vor die Außenböschung pflanzt man
meistens Weiden, welche zur Abschwächung des Wellenschlages in unschätzbarer Weise
mitwirken. Demselben Zwecke dient die Menge von Gestrüppzeug, das, an der Dammwurzel
abgelagert, bei stürmischem Wellengang gleichfalls zum ausgiebigen Schutzmittel wird. Im
Übrigen sind die Dämme mit Gras und Klee besäet und dienen als gewöhnliche Wiesen,
während am Fuße ihrer Juneuböschung mitunter Versuche mit der Anpflanzung von Obst
und anderen Bäumen gemacht werden.
Längs der ganzen Dämme sind in gewisser Entfernung die Werkzeuge und
Materialien aufgehäuft, welche dem Dammschutze dienen sollen; in große regelmäßige
Hügel zusammengeordnet und wohl uumerirt liegen da Massen von Pfosten, Faschinen,
Ziegeln, Stroh und sogar Reserve-Erdhügel, da in Überschwemmnngszeiten gerade das
Herbeischaffen von trockenem Erdreich in genügender Menge am schwierigsten ist. Die
Lagerplätze und gleichzeitig Zeughäuser des Schutzkrieges sind aber die Wächterhäuser, die
am Fuße der Juueuböschuug der Dämme in Zwischenräumen von nicht ganz einer Meile
erbaut sind und sehr hübsche Anlagen bilden. Jedes dieser Häuser enthält außer der
gewöhnlichen Wohnstnbe, Küche und Vorrathskammer des Wächters zwei oder drei Amts-
stuben, welche im Falle der Nothwehr als ebenso viele Kriegslager dienen. Außer dem
Wächterhause stehe« dort die Depotgebäude, angefüllt mit allerlei Werkzeugen der Ver-
theidigung; da gibt es Spateu verschiedener Art, Hauen nnd Spitzhacken, Erdfchanfeln,
Rammklötze für Pfähle, Schnbkarren für die Erde, Stricke, Pechpfanneu und Petroleum
lampen, Handlaternen uud so fort, so daß man in jedem Augenblicke gleich eine ganze
kleine Armee damit ausrüsten kann, während im Freien oder unter Schutzdächer» Pfähle,
Bretter und dergleichen in jeder Größe, sowie ganze Schober von Reisigbündeln, Stroh
nnd Spreu bereit stehen. Diese Wächterhäuser haben im „Frieden" eiueu wahrhaft
idyllischen Reiz; frisch belaubte Bäume grünen rings umher und mancherlei Federvieh,
Hühner und Enten, Gänse und Truthühner krähen und gackern, schnattern und kollern
dazwischen, oftmals überraschend schöne Thiere, deren leuchtend weiße Scharen im üppigen
Grase verstreut weiden oder zn Hunderten, ja Tausenden in würdevollem Aufzuge der
Theiß und ihren Überschwemmuugswässern entgegenziehen. Anch das Blnmen- und Küchen-
gärtchen, das Mutterschweiu mit seinen Ferkeln, zwei Pferde im Stalle und etliche Kühe
sind von einem solchen Dammwächterheim unzertrennlich.
Wenn wir so meilen- und meilenweit längs der gewaltigen Dämme ein ganzes
Arsenal von Rettnngs- nnd Schutzmitteln vorsorglich aufgehäuft sehen, erscheint es nns
fast undenkbar, daß die menschliche Kraft nicht unter allen Umständen siegreich aus ihren
bevorstehenden Kämpfen mit deu Elemeuteu hervorgehe» sollte, vorausgesetzt nur, daß
anch die den Vertheidignngsmitteln angeinessenen Kräfte ihre Schuldigkeit thnn. Und diese
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch