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Jene Schichdämme, im Vergleich zu denen die berühmten Ringwälle der Avaren
ein reines Kinderspiel gewesen sein müssen, haben schließlich eine besondere Volkselasse
geschaffen, welche durchaus vom Bau dieser Erdschauzeu gelebt hat und noch lebt. Das
sind die sogenannten „Xubikos* (Cubikleute). Viele von ihnen sind ackerbautreibende
Kleinbauern, Häusler und Taglöhner, die sich auch meist nur mit Erdarbeit beschäftigen,
folglich an dieselbe dermaßen gewöhnt sind, wie kaum ein anderes Volk der Erde. Sobald
die Zeit der Frühliugssaat vorüber ist, machen sie sich anf und wandern an die Theiß, die
Köros, die Bega oder Temes, wo sie Arbeit finden müssen und nicht selten zu zwei uud
drei Tausenden in meilenlanger Kette an den Dammlinien arbeiten.
Es ist interessant, wie sie so die Landstraße entlang ziehen, einer nach dem andere«,
jeder mit seinem Schubkarren, der alles znm Leben Nothwendige enthält. Das ist freilich
nur eiue Binsenmatte, ein guter warmer Schafpelz, Spaten, Kochkessel nnd Axt, etwas
Wäsche, einige Wegzehrung uud eiue mächtige hölzerne Feldflasche. Am Bestimmungsorte
angelangt, baut sich sofort jeder eine besondere Hütte, die zur Hälfte im Bodeu steckt,
während Banmzweige und Rasen das Dach bilden. Sie treten gewöhnlich paarweise in
Arbeit, indem sie selbander eine Dammstrecke übernehmen. Der „Cnbikmann" arbeitet nur
mit seinem eigenen Werkzeug, dem er stets eine besondere Sorgfalt zuwendet. Der Spaten
ist leicht, mit einem Griff versehen und stets mit der Feile wohlgeschärft; ein Cnbikmann
von „stärkerem Bund" hat auch noch einen „Bügel" am Spaten, um ihn desto tiefer in
die Erde stoßen zu können. Auch der Schubkarren ist leicht, aber ziemlich tief und von
beträchtlichem Fassungsraum; er wird demgemäß so schwer beladen, daß zwei Taglöhner,
die an solche Arbeit nicht gewöhnt sind, an ihm zu heben hätten. Der zweite Arbeiter hilft
beim Schieben, indem er den Karren vorn an einem Seile zieht, besonders wenn es gilt,
denselben mit einem Ruck die steile Böschung hinanznbesörderu. Dieseu zweiten Arbeiter
nennen sie scherzweise „das Fohlen". Es gibt wohl keine andere Arbeit, die so schwer ist,
wie diese Erdarbeit uud dennoch wird sie mit Lust und gnter Lanne gethan. Unter Gesang,
Scherz und Neckerei vergeht die Zeit.
Es ist in der That ein merkwürdiger Anblick, wie die hochgeschürzten Ärmel und
Leinenhosen Muskeln und Sehnen bloßlegen, die in ihrer gewaltigen Spannung römischen
Athleten Ehre machen würden. Und Bewunderung erregt die Schwungkraft uud Leichtig-
keit, mit der so ein Karren gefüllt und die schwere Erdlast auf deu höchsten Damm
hinaufgerollt wird. Der „Cnbikmann" arbeitet nicht im Taglohn, sondern nur nach dem
Enbikmaß, daher rührt auch sein Name. Während der größten Hitze rnht die Arbeit und
Alles schläft; lieber geht mau schon um zwei oder drei Uhr Morgens ans Werk und schafft
rüstig fort bis zehu Uhr; hierauf Rast bis vier Uhr Nachmittags uud neue Arbeit bis in
die späte Nacht. Um ungewöhnlichen Anstrengungen gewachsen zu seiu, müssen sich die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch