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zur Ruhe, bis er uicht seine vorgesteckte Arbeit beendet hat. Am Ende der Woche gibt er
mit der Genauigkeit des besten Ingenieurs an, wie viel er erworben hat.
Abends im hellen Mondlicht erscheinen diese Arbeiterniederlassungen völlig roman-
tisch. Kaum ein paar Hundert Schritte entfernt schlängelt sich sacht der Flnß dahin und
uimmt das ganze Ufer in seinen Spiegel auf; vor den Hütten flackert das Feuer und
darüber kocht im Kessel das Paprikas, dessen Duft ringsum alle Gaumen kitzelt und die
Laune der umher gelagerten Bursche erwärmt, so daß sie singend und lachend warten,
bis es fertig ist. Einer und der Andere hat auch seinen treuen Haushund mitgebracht, der
nnn mit ganz besonderem Interesse die Vorgänge um den Kessel her verfolgt, da er weiß,
daß auch er nicht zu kurz kommen wird, an Kilochen wenigstens. Der und Jener hat seine
Hirtenflöte mit, oder seine Zither, und wo die erklingt, schart sich die Gesellschaft dichter
und lauter um die Hütte. Ein Weib, ein Kind ist nur hier und da zu erblicken, deßgleichen
ein älterer Mann; Bursche und juuge Ehemänner bilden fast ohne Ausnahme die Ein-
wohnerschaft der Niederlassung.
Die Cubikleute des Alsöld arbeiten nicht nur an Flußdämmen und Flnßdnrchsticheu,
souderu auch an Eisenbahndämmen und anderweitigen Schanzarbeiten. In nenester Zeit
werden sie durch einzelne Unternehmer auch nach Serbien, ja nach Deutschland aus-
geführt, da es schwer hält, so gute uud geschickte Erdarbeiter anderwärts zu finden. Die
Arbeit dieser Cubikleute hat jene Dämme errichtet, die seither nicht nur die Aufgabe habeu,
die Gewässer der ausgetretenen Flüsse an übermäßiger Ausbreitung zu hindern, sondern
besonders auch dem Druck der ungeheuren Wassermasse zu widerstehen, welche zuweilen
mehrere Meter hoch sich gegen ihre Böschung stemmt. Wenn aber diese Wassermassen ein-
treffen, wenn die Ausbuchtungen dieser oft mehrere Meilen großen natürlichen Becken bis
an den Rand gefüllt sind, und wenn auch diesseits der Dämme die Juueuwässer ausbrechen
und die Wiesengründe und alle tiefer gelegenen Strecken überschwemmen, dann beginnt
der Krieg, zu dessen siegreicher Führung weder die Kraft der Cubikleute, noch die der
Gesellschaften ausreicht, so daß es gilt, die Kraft der Gesammtheit aufzurufen, die Kraft
Aller, welche Arme und Beine rühren können.
Bei ruhigem Wetter mag das Wasser uoch so hoch stehen, man bekämpft es mit
kaltem Blute. Wo es so hoch steigt, daß es uahe daran ist, die Dammkrone zu überfluten,
da wird ein Hilssdamm aus frisch zugetragener Erde aufgeworfen, die man feststampft
nnd dnrch eine vorgerammte Pfahlreihe befestigt. Wo Maulwürfe, Feldmäuse und Wasser-
ratten den Dammkörper dermaßen durchlöchert haben, daß das durchsickernde Wasser
jenseits wie ein Quell hervorsprudelt und den Damm mit Unterwaschung und Durchbruch
bedroht, da findet sich immer ein unternehmender Mensch, der einen Strohpfropfen ergreift
und anf der Wasserfeste fünf oder sechsmal untertaucht, bis er endlich das Loch gefunden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch