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Vergebens thun die Känfer entrüstet, vergebens suchen sie den Preis der Waare zu
drücken. „Schön, schön, min ja, fürs Ange! Aber ihre Haltung ist nicht stattlich genug.
Uud das Gesichtchen ist gar so weiß; man sieht, Ihr habt sie so recht unter dem Glassturz
gehalten. So eiu verhätscheltes Dirucheu taugt nicht sonderlich zur Arbeit; und wir
brauchen eher einen Frnchtbanm, als eine Topfblume". Just iu diesem Augenblick erscheint
das Mädchen vor den Fremden, die im Hausgang sitzen. Sie trägt einen Eimer Wasser
aus dem Kopfe. Eiueu Augenblick hält sie inne, schlank wie eine Ceder, wünscht verschämt
ihren „guten Abend", langt dann mit beiden Armen zu den Henkeln des Eimers empor,
hebt ihn in leichtem Schwnnge herab nnd stellt ihn sachte an seinen Platz. Und sie sagt
dabei nicht einmal: „Das soll mir eine Topsblnme nachmachen". . . . An ihrer Statt aber
läßt sich der Bräutigam vernehmen. Das heißt, er sagt kein Wort, wohl aber zupft er den
Herrn Vetter kräftig am Mautelärmel, damit er doch schon einmal aufhöre, das Mädel
dort zu schmähen; nnd da merkt der Herr Beistand, daß es nun wohl bei den 200 Gnlden
bleiben müsse. So sagt er sie denn richtig zu, die Sache ist in Ordnung, der Tag der Ver-
lobung wird festgesetzt und erst auf dem Heimweg kriegt es der Bräutigam vom Beistand
zu höreu: „Was war deuu uuu das wieder für eine Übereilung, sie hätten sie ja auch
billiger hergegeben."
Darum heißen die Mädchen im Ungarische» „verkäuflich" uud die Bräutigame die
„Känfer". Indes gehört der Kaufpreis nicht etwa den Eltern, sondern dem Mädchen nnd
sie verfügt darüber nach Belieben, entweder znr Vervollständigung ihrer Ausstattung, oder
in den meisten Fällen indem sie das Geld capitalisirt und, selbst wenn es in das Vermögen
des Gatten eingeschmolzen wird, streng in Evidenz hält.
Eine einzige Tochter freilich ist nicht „verkäuflich", sondern für sie sucht man einen
Bräutigam aus, den strammsten Burschen, schön, ehrlich, arbeitsam; er hat wohl anch
schon vorlängst den Namen ihrer Familie angenommen und ist aus Gruud dieses Namens
Mitbesitzer der Landwirthschast geworden. Freilich, wehe ihm, wenn er den hochgespannten
Erwartungen nicht entspricht; die scharfe Znnge der Schwiegermutter macht den armen
Ehemann gar bald zum „Wehemann".
Übrigens wimmelt es um die Ehevermittlung her von halbofficiellen Figuren und
die juugen Ehecandidaten gehen durch eine ganze Reihe von Händen, ehe sie vor den
Geistlichen gelangen, welcher Moment aber anch seinerseits nur wieder der Mittelpunkt
der Eheschließungsgebräuche ist, eines ganzen Systems von Feuer- und Wasserprobeu,
bis das Pärchen endlich sagen kann: „Nnn sind wir beisammen."
Unter diesen unberufenen und halbofficielleu Figuren ist die wichtigste der „Satan
zu Fuß", wie mau stellenweise die Heiratsvermittlerin nennt, während sie anderwärts
andere drastische Titel führt. Sie ist eine Vertranensperson, mitunter sogar ein
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch