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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 72 -
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72 Vertrauensmann, und hat die Aufgabe, gegen ein zuweilen ausbedungenes Honorar beide Hänser unter der Hand auszukundschaften, ihre Wahrnehmungen hüben und drüben an den Mauu zu bringen, unter gehöriger Anpreisung und Überredung, unter Botendiensten nach beiden Seiten, kurz unter allerlei Diplomatie, bis schließlich die Sache so weit reif ist, daß sie sagen kann: es ist alles in Ordnung. Und doch, wie lange wird es noch währen, bis wirklich alles in Ordnung sein wird. Aus den Händen des „Satans zu Fuß" geht der heiratslustige Bursche in die Obhnt seines Beistandes über, der mit ihm oder ohne ihn einen Besuch im „Mädchenhause" macht. Dort zupft die Hausfrau einige Stämmchen ans dem an der Thürangel hängenden Bündel von Minze und Lavendel, zerreibt sie zwischen ihren Händen unter der Nase der Ankömmlinge und hört zu, wie der Beistand in feierlicher Stellung — denn stehend wird ein Mädchen gefreit — den Zweck des Besuches erklärt. Dies ist die Werbung, auf die jedoch kein sofortiger Bescheid erwartet wird; es ist ja selbstverständlich, daß selbst, wenn die Werbung willkommen ist nnd die Leutchen schon über gewisse Formalitäten hinaus sind, die Schicklichkeit einige Tage der Überlegung fordert. Die Länge der Frist, für welche der Bescheid vertagt wird, läßt bereits ahnen, in welchem Sinne derselbe erfolgen wird. Eine kurze Frist ist von günstiger Vorbedeutung, eine lange von ungünstiger. Ist die Antwort zustimmend ausgefallen, so erscheint an einem bestimmten Tage der Bursche wieder in Gesellschaft seines Beistandes und zuweilen noch etlicher älterer Ver- wandten, um im „Mädchenhause" eine gleiche Anzahl von Vertrauensmännern vorzufinden. Nun erfolgt das Versprechen, indem Werbung und Zusage feierlich wiederholt werde«, worauf eine kurze Mahlzeit folgt und der Abend der Verlobung festgesetzt wird. In der Zeit zwischen Versprechen und Verlobung stattet das Mädchenhaus im Burschenhause eiuen Gegenbesuch ab, der als „Herdschau" (Hausfeuerschau) bezeichnet wird. Endlich erfolgt die Verlobung, offieiell auch noch als „das Beisitzen" bezeichnet. Bei dieser Gelegenheit nämlich sitzen Bursche und Mädchen zum ersten Mal öffentlich neben einander. Bei Tische allerdings nicht. Denn nach alter Sitte des magyarischen Landvolkes setzt sich die Frau (wenn sie nicht etwa Gast ist) nicht an den Tisch, und zwar keineswegs nur aus schuldiger Achtung gegen das männliche Geschlecht, sondern auch weil die Hausmutter, solange sie nicht ganz altersschwach geworden, nnabhängig über Küche und Vorrathskammer schaltet und sich daher ohnehin nicht hinsetzen kann; daß aber eine Jüngere bei Tische sitze, während die Mutter aufwartend hin und wieder hastet, wäre die größte Unschicklichkeit. Dieses „Beisitzen" hat also einen ganz anderen Zweck. Das junge Paar erhält dadurch Gelegenheit, im „Kleinhaus" oder draußeu auf dem Hansgang ohne Zengen zu verkehren. Die Heiratsvermittlerin schickt das Mädchen unter irgend einem Vorwand hinaus: „Geh', mein Kind, im Kleinhaus ist der Mohn ausgelaufen, fege ihn wieder
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
Kronprinzenwerk deutsch
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