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mit dem des Beistandes, einen eigenen verheirateten Mann, der im Labyrinthe der
Ceremonien gut Bescheid weiß, eine Menge gereimter Sprüche, Scherze, lustiger Streiche
und dergleichen zur Verfügung hat und überhaupt ein Mensch von lebhaftem Geiste und
gefälligen Manieren ist. Ehe der Hochzeitsbitter an seine Einladnngen geht, erscheint er
im Brauthause mit einem langen geraden Stab in der Hand, den die Braut mit einem
rothen Apfel und einem Rosmarinstengel schnlückt, worauf sie au den Griff desselben noch
ein buntes Leinen- oder Seidentüchlein bindet. So ausgestattet macht nun der Hochzeits-
bitter die Runde bei den einzuladenden Familien, wo er in folgenden Ausdrücken seines
Amtes waltet:
„Gebe Gott einen glücklichen guten Tag Euch Allen insgesammt! Ich bitte nm Ent-
schuldigung von wegen meines dreisten Eintretens. Durch mich lassen Euch Herr und Frau
3!. N. grüßen und entbieten, daß es Euch nicht beschweren möge, bei der Hochzeit ihres
Sohnes N. N. mit der ehrsamen Jungfrau N. N., Tochter des Herrn N. N., und zwar
zuerst in der Kirche bei Ablegung des Gelöbnisses, hernach aber in ihrem ehrenwerthen
Hanse znm ehrbaren Genuß einer oder zweier Schüsseln Speise und eines oder zweier
Gläser Weines zu erscheinen. Eßzeng — Messer, Löffel, Gabel — möchtet Ihr mitbringen.
Gott segne Euch!"
Die Eingeladenen danken für die Ehre und sagen zu. Der Hausherr wartet dem
Boten mit einem Glase Wein auf, die Tochter aber bindet ein Tuch oder wenigstens ein
farbiges Band an seinen Stab, der denn auch, während der Hochzeitsbitter seinen Rund-
gaug beendet, mit Tüchern und Bäuderu ganz beladen, einen: in voller Blüte stehenden
Fliederbusch immer ähnlicher wird. Die Hochzeitsbitter von Fach betreiben dieses Amt
nur bis zu einem gewissen Alter; in der Regel feiern sie bei ihrer dreihundertsten Hochzeit
ein Jubiläum nnd rücken dann in die Stellung eines Beistandes vor.
Das Tuch spielt bei jedem feierlichen Anlaß des ungarischen Volkslebens unter den
Geschenken uud Gebrauchstücken der Ceremonien eine hervorragende Rolle. Hochzeitsbitter,
Beistand, Bräutigam, Alle bekommen sie Tücher, das Hochzeitsvölkchen bindet seinen Pferden
Tücher an die Zäume, die Täuflinge werden von ihren Pathinnen mit Tüchern reich
beschenkt, ja selbst dem Geistlichen pflegt man an manchen Orten ein Tuch zu verehren.
Es gibt Gegenden, wo es nicht Sitte ist, daß Bnrsche nnd Mädchen, besonders
letztere, an einer Hochzeit theilnehmen; meistens aber dürfen sie dies nicht nur thun uud
thun es auch wirklich, souderu sie haben auch das Recht, nach vorhergegangener Anmeldung
ihrerseits ihren Geliebten, beziehungsweise Geliebte, die ja als ihre Verlobten gelten
können, eigens einzuladen, die dann auch ohne weiters erscheinen, aber nur um zu tanzen;
Essen und Trinken nehmen sie unter keiuer Bedingung an und benehmen sich überhaupt
sehr sittsam.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch