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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 78 -
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78 Am Tage vvr der Trauung stelle» sich der Bursche und das Mädchen dem Geistlichen vvr, zur „Censur"; da müsseu sie sich nämlich aus der Religionslehre prüfen lassen. Dem Mädchen macht das nicht viel Sorge, denn sie ist fleißig zur Schule und Kirche gegangen und hat auch nicht viel Zeit gehabt, zu vergessen; dem Burschen aber kommt die Sache ost sauer genug an, er kann nicht alle Gebete auswendig und nimmt daher bei Zeiten ein paar Privatstunden bei dem Herrn Beistand oder einem andern Schristkuudigen, um nicht etwa gleich im Baterunser stecken zu bleiben. Übrigens halten es auch die Beistände für ihre Pflicht, dem Seelenhirten gegenüber die weltliche Gebrechlichkeit des Burscheu soviel als möglich zu stützen und zu flicken. Bei dieser Gelegenheit überreicht die Braut dem Geistlichen ein eigenhändig gewebtes Linnentuch als „Lösung des Jungfern- kranzes". Den Polterabend (die Nacht vor der Hochzeit) bringen die Kameradinnen der Braut bei ihr zu; dieser Brauch aber (das „Maidnachten") wird nur mehr an wenigen Orten geübt. Am Hochzeitsmorgen (mitunter schon am Tag vorher) erscheinen die Beistände des Burschenhauses im Mädchenhause, um die Braut „auszubitteu". In Versen oder Prosa recitiren sie gewandt die Geschichte von der Begegnung des Knechtes Eliezer mit der schönen Tochter Bethnels, was ein Gleichniß sei für ihre eigene dermalige Sendung. Mit den ungarischen Beiständen ist aber nicht so leicht umzuspringen, als seinerzeit mit Bethuel. Denn so gern anch die Braut bereit wäre, dem treueu Eliezer zu folgen, ihre eigenen Beistände legen ihr so viele Hindernisse in den Weg, daß ihr, wenn sie sie nur gelesen hätte, gewiß die Worte des Dichters eiusalleu würden: „Die Ehen werden zwar im Himmel geschlossen, die Ceremonien dazu hat aber der Teufel erfunden." Auf die wohlgeschniegelte Anrede des „ausbittenden" Beistandes entgegnet der „herausgebende" Beistand trocken: „Heraus geben wir sie, aber nur für Geld." — „Wenn es nur Geld kostet", versetzt der Herausgeforderte und greift uuverweilt iu die Tasche seines Mantels, aus der er eine Handvoll Scheidemünzen herausholt und auf den Tisch legt. — „Das ist kein Geld", sagt der „Herausgebende" geringschätzig, „ich seh' es ja von hier aus, Kreuzer und Sechser hat jedes Kind. Wir brauchen Geld". Nun beginnt der „Ausbitter" neuerdings im Ärmel seines Lodenmantels herumzustöbern und es gelingt ihm wirklich, das bar mitgebrachte „Geld" ans Tageslicht zu fördern. (Es ist die kleinste Münzeinheit aus der Zeit Maria Theresias.) „Da habt Jhr's!" — „Gut, jetzt geben wir das Mädchen herans, aber sie darf nur bis zum Hausgang gehen. Unser Mädchen ist so zart gewöhnt, daß sie keine bloße Erde betritt. Vom Gang bis zur kleineu Thür müßt Ihr ihr den Weg mindestens mit Kreuzern belegen. Wir verlangen nicht einmal viel. Der erste Schritt ein Kreuzer, der zweite zwei, und so fort jeder weitere Schritt das Doppelte des vorher- gehenden. Achtzig Schritt sind das Ganze. Ihr werdet dran nicht sterben."
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
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