Seite - 90 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
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Handvoll Geld hineingeworfen und dadurch die Brant für sich erstanden. Aber auch sein
Vergnügen währt nicht lange, denn wieder klappert es im Teller und mitten im besten
Sprung rafft sie ihm ein anderer weg. Neues Geklirr, neues Geklapper, die Braut geht
von Hand zu Hand. Die Bursche drängen sich herbei, die Alten sogar leeren ihre Taschen,
und das junge Frauchen tanzt unermüdlich weiter, so lange man will — wenn es bis in
den hellen Morgen hinein danert, ist's ihr auch recht, denn das Geld, das sich im Teller
sammelt, gehört ihr. Es kann aber nicht bis zum Morgen währen, denn der Bräutigam
wirft jetzt eine Handvoll wirkliches Geld, und zwar echte Silberthaler, unter die beschei-
denen Sechser und „Eisernen", als wolle er alle Usurpatoren niederschlagen. Er schlügt
sie auch wirklich nieder. Mit einem Griff hat er seine Braut; da setzt sich alles still hin
und sieht zu, wie die Beiden allein sanft und glücklich dahinfchweben in der Mitte der
Stube, bis endlich der Zigeuner auch dieser Lust ein Ende macht, indem er aus dem
„Frischen" Plötzlich in den Räköczymarsch hinüberspringt. Dieser Tanz heißt auch „Reuter-
Tanz", weil man zur Aufnahme des Geldes eine Reuter auf den Tisch stellen kann.
In Szegedin und Umgebung setzt man der Braut die Haube nach dem Brauttanz
auf, dann besprengt die neue Frau die Gäste aus einem großen Waschbecken, und ist sie
guter Laune und führt eine feste Faust, so packt sie diesen oder jenen und seift ihn sogar
ordentlich ein. Auch diese Wäsche geschieht nicht umsonst, das Geld dafür gehört zum
Einkommen der Braut. Brauttanz und Wäsche bringen dem jungen Paare oft ein hübsches
Sümmchen ein, besonders wenn auch Herreuleute zugegen sind. Legt man noch etwas dazu,
so mag sich dabei leicht ein Häuschen oder Weingärtchen herauswachsen.
Auf den Brauttanz folgt der Familientanz, an dem sich die Eltern der Hochzeiter
betheiligen, ja die Großeltern selbst tanzen in aller Steifheit den „Kallöer Zweitanz".
Mütterchen hopst wie ein Frauchen von gestern und Väterchen vergießt seinen besten
Schweiß, indem er sich anstrengt, die wohlbeleibte Hochzeitsmutter im Kreise herum-
zubewegen, worauf er sie wieder losläßt, um den Werbertanz zu beginnen, nnter manchem
lauten Klatsch auf sein knorriges Knie, ja selbst auf den Schnabel seines Stiefels, wenn
man seinem Tanz gehöriges Lob spendet. Das Beispiel ist ansteckend. Nach den Alten
nehmen sich die Jungen um die Hüfte; Söhue und Schwiegertöchter, Enkel und Urenkel
fassen sich zu Zweien und die Gäste sehen, in die Ecken gedrückt, zu, wie so ein ganzer
breitästiger Stammbanm, mit allen seinen Ästen und Zweigen, Blüten und Knospen im
patriarchalischen alten Schritt dahertanzt.
Und immer noch sind die Köchinnen übrig; das Recht, sie „um einander rumpeln"
zn lassen, steht den Brautführern zu, da gibt es denn auch keinen Widerstand. Weiterhin
geht die Unterhaltung im sicheren Geleise bis zum Morgen fort. Ein Tanz folgt dem
anderen. Ums Morgenroth wandern unter den Klängen des Räköczy die entfernteren
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch