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ist ein Sarg aus Nutzholz. Der reiue, vou keinem Wurm benagte duftige, zähe Nußbaum
ist der heilige Baum des ungarischen Volkes.
„Gebe Gott Glück und Ruh',
Aus Nußholz einen Sarg dazu."
Rechnet man dazu noch den Abschiedsgesang, der von amtlichen Lippen unseren Verdiensten
gewidmet wird, und ein Bischen Predigt, damit man der gangbaren Redensart nach „ein
Todter mit Predigt werde", so hat man wohl Alles erreicht, was diese Welt als letzte
Abfindung dem Sterblichen gewähren kann.
Hausbau, Hauseiurichtuug. — Könnte man sämmtliche Wohnstätten der
Magyaren gleichzeitig überblicke«, so ließen sich die Dörfer der gewesenen Hörigen leicht
von den privilegirten oder kleinadeligen Niederlassungen unterscheiden. Jene sind nn
Allgemeinen besser geordnet, haben gerade Straßen, geräumige Höfe, wie das eben auf das
wohlüberlegte Machtwort des Gutsbesitzers planmäßig zustandegekommen. Die audereu
dagegeu siud ohne Plan gebaut, uach Jedermanns Belieben kreuz und quer, labyriuth
artig, mit engen krnmmen Gäßchen, aber gleichfalls mit ansehnlichen Jnnenräumen, aus
welchem Wust die breiten Höfe der wohlhabenderen Landwirthe und die meist am Stadt-
oder Dorfende (am „Schafrain") befindlichen Herrenhäuser mit ihren Gärten hervorstehen.
Bisher hat iu Ungarn das magyarische Volk des Alföld, und unter diesem besonders
der jazygisch-kumanische Theil, der noch in den letztvergangenen Jahrhunderten ein halb-
nomadisches Leben führte, seinen Wohnhäusern im Hinblick auf Festigkeit, Ausschmückung
uud bequeme Einrichtung am wenigsten Sorgsalt zugewendet. Wenigstens steht sein Haus
uicht im Verhältniß zu seiner Wohlhäbigkeit, was sich ans der Natur der Gehöstwirthfchaft
erklären läßt.
Schon bei dem Baumaterial sind die Leute nicht wählerisch und können es gar
nicht sein. Vor alters galten schon Luftziegel als Luxus. Sie bauten ihre Häuser mit
Stampsmauerii, entweder im „Schwalbeubau", das heißt aus Äoth, der mit Stroh oder
Häcksel gemengt dnrch Pserde getreten nnd mit der Heugabel aufgetragen wurde, oder aus
trockenem Lehm, deu mau zwischen Brettern mit dem Rammkolben feststampfte. Zum
Dach nahm man Stroh oder noch lieber Rohr, das dem Alföld-Magyaren sehr zusagt, da
er es für seine Zwecke dienlicher findet als jedes andere Material. In seiner Baukunst gilt
das Rohr so viel, wie in seiner Bekleidung der Snba-Pelz. Im Sommer hält es kühl, im
Winter warm: Getreide und andere Lebensiuittel bleiben darunter ganz heil. Auch ist es
das Billigste, denn die Wiesen, Riede, Teiche des Alföld sind mit schönem Rohr bewachsen;
daher ihm denn auch das Austrockueu uud Eanalifiren der Rohrsümpfe sehr wider den
Strich geht. Er behauptet, daß eiu Landstrich, der gutes Rohr hervorbringt, nicht einmal
mit Reis bepflanzt so viel eintragen kann, als sein Rohr werth ist. Ferner ist das Rohr
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch