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da im ganzen Alföld kein festes Baumaterial vorkommt, kein Stein, kein Nadelholz, kein
hartes Holz, ja an vielen Orten sogar der Stoff für Ziegel fehlt, wie nicht minder das
Holz zum Ziegelbrennen. Noch jetzt werden hier die Ziegel mit Stroh gebrannt.
Wie mangelhaft aber auch diese Baustoffe sind, von Reinlichkeit schimmern die
Hänser der Alsold-Magyaren innen und außen ; obgleich sie den Kalk weither zu doppelte»
Preisen beziehen müssen, sind ihre Häuser weißer als dort, wo der Kalk her ist, uud wenn
ihre Zimmer uud Hausgäuge nnr gestampfte Erde kennen, so werden sie doch wenigstens
jede Woche sorgsam mit gelber Erde ausgestricheu. Der Mauerrand erhält unten einen
hellblauen Saum, etwa eiueu Fuß hoch, im Übrige« liebt man das Weiße, jede andere
Farbe läuft da dem allgemeinen Geschmack zuwider.
Der Ungar hält an seinem geraden Hause fest (schou aus Sparsamkeit, denn so viele
Ecken, so viel Manrertaglöhne im Jahre); die Rückseite wendet es gegen Norden und hat
keinerlei Vorspränge nnd Anhängsel. Dieses Haus kehrt seine sechs bis acht Meter breite
Stirne mit einem oder zwei Fenstern der Straße zn, wo ihm zuweilen ein schmales Blumeu
gärtcheu vorgelegt ist. Ursprünglich war — der inneren Einrichtung entsprechend — ein
einziges Fenster die Regel; zwei Feuster brachte mau uur der äußeren Zierde zu Liebe au.
Die Länge des Hauses beträgt sechzehn bis dreißig Meter. Es hat nnabänderlich drei
Abtheilungen: das „Großhaus", die Küche uud das „Kleinhaus". Das der Gasse zugekehrte
sechs bis sieben Meter lange „Großhaus" (die große Stube) hat in seiner Ecke zunächst
der Thürangel den Ofen stehen, und zwar in waldigen Gegenden einen Kachelofen, im
ganzen Alföld aber eiueu sogenannten „I)ul>c»s", den für Strohheiznng bestimmte», aus
Lehm gefügten, weitbauchigen Schober- oder Altweiber-Ofen, in dessen Ausrichtung auch
die Weiber viel Geschicklichkeit entfalten. Um den Schvber-Ofen her zieht sich eine breite
Ofenbank mit mehrere» Aecessorie», als da sind: der „Ofeuwiukel", der Aufbewahrungsort
für Essigslascheu uud kleineres Hansgeräth, wie auch gelegentlich Arrestplatz für ungehor-
same Kiuder, dauu das „Ofeuuest", das mit abgetragene»Kleidungsstücken ausgepolsterte
Faulbettcheu der kleiuere» Fai»ilie»glieder. I» dem Wiukel dem Ofe» gegenüber sieht
ma» die Tischbank, an deren Ecke in einem weißen rnnden Korbe, mit dem Tischtuch
bedeckt, der Brodlaib liegt. Davor steht der Tisch. Läugs der fensterlosen Wand, welche
in die Linie des Ofens fällt, stehen zwei Betten, aufgebettet, ja fast bis au die Zimmerdecke
mit schwellende« Flanmenkifsen beladen, während die Ecke rechts ein großer Kleiderschrein
(Lade) einnimmt, über der sich ein Zapfenbrett befindet. Diesem entlang reihen sich Teller
aus Zum nnd weißem Steingut, unter denen auf deu Zapfen blnmig glasirte Kriige hängen.
Die Decke des Zimmers ruht auf dem starken, quer unter ihrer Mitte durchgezogenen
Hanptbalken („Meisterbalken"), der dem Uugar zugleich als Bibliothek dieut. Da verwahrt
er seine Bücher, das ist die Historienbücher, den Kalender nnd andere ttleinigkeiten.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch