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fallen noch die steinernen Umfassungsmauern auf, welche, fast ebenso hoch wie die Haus-
mauern, von eiuer starken Hausthür- uud Thorconstrnction durchbrochen sind.
Die „Tanya" (Gehöft). — Aber der Ungar im Alföld hat zwei Häuser. Der
Fremde, der über die kleineren Dörfer der Umgebung Budapests hinaus seinen Weg
südwärts nach der großen Ebene von Klein-Knmauieu oder östlich durch das große
Flachland um Kecskemet und an der Theiß nimmt, findet bis nach Zombor hinab und
nach Debrecziu hiuans die weite Fläche überall hin mit Gehöften bestreut. Die „Tanya"
ist das zweite Haus des Alsöld-Magyaren oder vielleicht gar das erste; wenigstens verhält
sie sich zu seiner städtischen Behausung wie sein Wochentagsgewand zum Sonntagsanzug.
Da seine Äcker weit von der Stadt eutserut siud, könnte er dieselben ohne Tauya gar nicht
ordentlich bestellen. Wohnt der Landwirth selbst, ja sogar die ganze Familie draußen, so
wird die Tauya eben so gnt in Stand gehalten wie sein städtisches Haus, nur mit dem
Unterschied, daß die Tauya keine Umzäunung hat. Statt des Zaunes sieht man, ebenso-
vielen Festungswerken gleich, hinter dem Hause Obst- uud Küchengarten, mit tiefen Gräbeu
und Akazieureiheu eingefaßt, dem Hause gegenüber die Ställe, am Ende des Hauses Schaf-
hürden, Heuschober, Strohtristen, vor der Fronte des Hauses den Blumengarten, ebenfalls
mit einem Graben oder einer lebenden Hecke umfriedet, und wo noch etwas freier Raum
bleibt, dahin kommt die „Bastei", was nach Alfölder (kleinknmanischem) Sprachgebrauch
uichts Anderes bedeutet, als daß mau dort alleu erdenkliche» Kehricht des Hofes, alles
Unkraut und Trümmerwerk auf breiter Grundlage in Form einer länglichen, ans beiden
Seiten uach Möglichkeit senkrecht zugeschnittenen Wand aufschichtet, ähnlich jeuein lebendigen
Zaun, den man in Weingegenden aus Weinrebe» Jahr nm Jahr höher aufzubauen
pflegt. Obgleich also die Tanya nicht eigentlich eingezäunt ist, hat sie doch nur eiueu
Haupteingang, der durch eine größere oder geringere Zahl von Hoshnnden bewacht wird.
Ist das Tanya-Gebände vernachlässigt, sv beweist dies, daß es nicht vom Herrn
bewohnt wird. Seine Stelle nimmt in diesem Falle der „Gärtner" ein, dessen Beschäf-
tigung im Allgemeinen seinem Titel nicht entspricht, da er sich um uichts weniger kümmert
als um den Garten. Darum heißt er im Kecskemeter Lande nicht Gärtner, sondern
„Gehöftsmann" desseu Aufgabe die Geflügelzucht ist, wie er den» auch Hunderte
von Gänsen, Hühnern, Trnthühnern nnd so sort aus Halb- oder Drittelpart züchtet.
Hie und da sieht man unter deu Tauyas des Alföld auch noch die sogenannten
„Pntri-Hütten". Es sind dies in die Erde hineingewühlte, mit Rohr gedeckte Räumlich-
keiten, etwa eiuer Kellerwvhuuug ähnlich, die Wände mit Brettern oder lehmbestrichenem
Heckenwerk gefüttert; wo die Feuchtigkeit des Bodens keine Grube zu grabeu gestattet, da
baut man die „Putri-Hütte" aus flachem Boden aus geschickt gefügten Rasenstücken. Da
nur von Gebäuden und Banwesen sprechen, seien hier einige bemerkenswerthe Umstände
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch