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die Weinlese in der Hegyalja als Gelegenheit zu politischen Berathungen benutzt wurde, sv
kommt es auch im Alsöld oft genug vor, daß auf deu Weinlesen schwierige Fragen
erörtert werden.
So weit der festartige Theil der Arbeiten; doch nun zum schwierigen.
Die schwerste Arbeit ist das Mähen. Vom Frühroth bis zum Abendroth, das Kreuz
gebeugt, die Grashalme scharf an der Wurzel zu treffen, und wem? sie kurz und spärlich
sind, mit noch größerer Kraft; hinter dem Vormäher nicht zurückzubleiben, der den
Rand der regelmäßig oder unregelmäßig geformten Wiese gerade schneidet nnd während
der ganzen Arbeitsdauer immer voran mäht; im Tact so fortzuschaffen nnd fortzuhämmern,
bis das oft unabsehbare Grasmeer in Mahden geschlagen daliegt — das verlangt starke
Männer. Auf den Marktplätzen der größeren Städte, besonders aus dem von Keeskemet,
sieht man jeden Sonntag Morgen zu Tausenden, in eompaeten Massen die „armen Leute"
(in Szegedin „zweihändige Arbeiter") stehen, aber wenn ihrer noch viel mehr Tausende
wären, bis Mittag sind sie alle verschwunden, denn die Landwirthe packen sie schleunigst
zusammen, zu zehn nnd zwanzig auf eiueu Wageu sammt dem Mnndvorrath für eine
Woche und führen sie fort auf eiue weitentfernte Tanya zu vierzehntägiger Arbeit nm sehr
hohen Taglohn. Gegen Mittag sieht man ans dem Markte höchstens noch den „Betyär"
herumlungern, der aber nicht etwa ein Räuber ist, sondern nur die Hefe der Armnt bildet,
nicht kräftig genug für schwerere Arbeit, unbekümmert um das Morgen, unbedrückt von
Familiensorgen, folglich Zeit genug hat, sich deu ganzen Tag an der hellen Marktsonne zu
wärmen wie ein Lazzarone, obgleich er es nicht unter seiner Würde hält, gelegentlich einen
leichten Auftrag für ein paar Groschen schlecht uud recht auszuführen.
Im Vergleich znr Mäharbeit, die stets von Männern besorgt wird, ist das Einsammeln
des Heues schon wieder mehr Spiel; hübsch gekleidete Mädchen und junge Franen besorgen
es in aller Munterkeit um mäßigen Taglohn.
Die ernste Natur des Magyaren prägt sich wohl am bezeichnendsten bei seiner Feld-
arbeit ans. Die Gemüthsstimmung, in der er diese verrichtet, finden wir in einem schönen,
auf ewiger tiefsittlicher Wahrheit beruhenden Sinnsprnch der Bibel ausgedrückt: „Sie
säen unter vergossenen Thränen, sie ernten unter Singen." In der That, wenn wir ihn
beobachten, wie er für die Saat pflügt, da scheint er zu weinen, so tranrig sind die
Melodien, die er aus dem Stegreife pfeift, ganz im Gegensatz zn seiner fröhlichen kleinen
Gefährtin, der Lerche, die über seinem Haupte „ihr Lied in den Himmel bohrt" nnd deren
eigenthümlichen Flug nebst dem Gezwitfcher, das sie dabei hören läßt, er beides zusammen
mit dem einen Worte bezeichnet: „sie pflügt."
Indeß geht es auch bei der Ernte nicht gerade lnstig her. Es gibt zwar Gegenden,
wo auf kleineren Besitzungen das juuge Volk sozusagen in vollem Pntz mit der Sichel deu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch