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Dieser nämliche Volkshumor hält — wie schon bei den Hochzeitsbräucheu erwähnt
worden — die leeren Grubeu als Strafverließe für die Ruhestörer des Festes in
Bereitschaft.
Wer im Einhalten der Brachzeit unordentlich ist, von dem pflegt man höhnisch zu
sagen, „der Weizen ersticke am Ende noch seine Mohnblumen". Dieses Brach-System
wurde und wird noch jetzt streng aufrechterhalten in Gegenden, wo die Commassirnng
noch nicht durchgeführt ist. Hier werden die Äcker in drei Classen (Nachdruck, Wechsel,
Calcatur) eultivirt: in der einen Weizen, in der anderen Frühlingssaat, während die dritte
Brachland bleibt, welches von seinem Ledigwerden bis znm nächsten Sommer das Vieh
begeht, durchstampft, fett macht, von Unkraut reinigt; übrigens würde da der Landwirth
umsonst säen, das Vieh würde ihm Alles zertreten. In besonderen Feldstreifen sind die
kleineren Äcker gruppirt, z. B. Mais-, Haus-, Kartoffelfelder, zuweilen ein Pflaumen-
oder Obstgarten.
Die Benenunugen der Ackerausmaße sind in den verschiedenen Gegenden verschieden.
An ehemals hörig gewesene« Orten war die Benennung „Session" die gewöhnliche. Eine
Session Landes bestand ans 27 bis 40 Joch sammt dem dazugehörigen Viehweide- nnd
Holzschlagerecht. Das Joch wnrde mit 1.200 (ungarisches) oder mit 1.600 Quadratklafter
(österreichisches Joch) gerechnet. Es gibt Orte, wo der Boden nach „Metzen", „Sack",
„Scheffel" gemessen wird, je nach der Menge des hineingesäten Saatgutes. Anderswo
bildet die „Kette" (1.000 Quadratklafter), die „Ruthe", die „Latte" (-- 16 Joch) und in
Jazygien der„Redemtionsguldeu" die Recheneinheit; die Schnitter heißen „Bogenschützen".
Da unter den Magyaren ursprünglich wenige keinen Grund uud Bodeu besaßen,
was sogar noch heutzutage der Fall, so ist die Taglöhuerclasse wenig zahlreich, und was
davon vorhanden ist, eilt in die größeren Städte, besonders in die Hauptstadt, so daß sich
die „zweihändige" Arbeit verthenert. Im Frühling setzt die Gartenarbeit mit 50 Kreuzer
ein, wird aber immer theurer, je mehr die Arbeit sich mehrt, und erreicht den Höhepunkt
bei der Seuseuarbeit, indem ein gnter Schnitter täglich 1V, bis 2 Gulden verdient. Darnm
greift jeder vernünftige Landmann, wenn auch nicht beim Schnitt, doch bei der Heumahd
zur Sense und arbeitet mit seinen Taglöhnern um die Wette, ja er läßt — weuu er
praktisch ist — nicht einmal den Titel des „Vormähers" einem Anderen zukommen.
Übrigens hat er, und wäre er noch so reich, mit seinen Arbeitern, sowie mit seinem
Hausgesinde die gleiche Kost. In einem Banernhanse wird nicht extra gekocht und gebacken.
Ihren Lohn Pflegen die Dienstboten im nachhinein zu erhalten, meist wenn Markt ist.
Der Lohn ist hoch genug, daß davon der Dienstbote sich nicht nur kleide», sondern auch
uoch etwas zurücklegen kann. Wie viele, die in ihrer Jugend Knechte waren, stehen jetzt
unter deu ersten Landwirthen, schon weil ein gesunder, arbeitssamer Bnrsche auch eine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch