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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 132 -
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132 Und dann die Unmasse von Mitbürgern, auf gut magyarisch „Herren Gesippen" (alyall uram), die weder zwischen den vier Pfählen der Lesevereine, noch unter dem Schirmdach der Trockenmühlen sich zu „witzigen" wünschen, das Volk der halben Stadt, wie es auf den Tanyas draußen verstreut wohnt! Auch ihnen hat der Genius des gesell- schaftlichen Lebens einen Lichtstrahl zugewendet. Ihnen ist der Platz vor dem Stadthause vorbehalten, wo alle jene Momente des öffentlichen Lebens sich abspielen, die über die engen Grenzen der Lesevereine und Trockenmühlen hinausquellen. Wenn der sonntägliche Gottesdienst zu Ende ist, hebt die „zweite Predigt" an, die der Gemeinderichter und in den Städten irgend ein Notar hält und die von den Herren Bauern mit größerer Aufmerksamkeit angehört und auch weit besser verstanden wird, als die soeben vernommenen strengen Mahnworte des Hochwürdigen. Aus den tausend schwarzen Suba-K'ragen lauschen tausend braune Köpfe und heften ihre Augen auf deu Verkünder, dessen Worte tief in die Gedächtnisse eindringen; zürnendes oder fröhliches Gemurmel gibt die Meinung über das Gehörte kund, besonders über den letzten Punkt, der in der Regel an eine gewisse Bürger- pflicht zu mahnen pflegt, deren Nichterfüllung den Besuch des „Gerichtsvollziehers" oder — wie man ihn an manchen Orten wohl nennt — des „Bemüssigers" in Aussicht stellt. Dann steigt der Notär von der amtlichen Tribüne (in größeren Ortschaften vom Balkon des Stadthauses) herab und das „vielköpfige Ungeheuer" steckt die Pfeife» au, löst sich in Gruppen auf, beräth sich, tauscht Nachrichten und Gedanken aus, bis das Mittagsläuten und die schuldige Rücksicht auf die „Frau" es heimcommaudireu. Dieser Stadthausplatz ist die politische und gesellschaftliche Schule des ungarischen Volkes. Wie einst der Bürger Athens, so hat Jeder, der hier erscheint (und wer erschiene am Sonntag nicht?), „nichts Anderes zu thun, als nur Neuigkeiten zu erzähle» und anzuhören." Die Parteikämpfe, wenn es welche gibt, gehen ebenda vor sich; in bewegten Zeiten erscheinen da die Redner, die Volksführer, um einander das Wort auf die Zunge zu legen oder in die Kehle hinabzuwürgen; die Reichstagscandidaten gehe» hin, um anzufeuern, zu drohen, zu versprechen, um ihre ersten Lorbeeren in donnernden ^ljens zu ernten, oder, wenn es ihrer Stimme an Reiz, ihrem Auftreten an Tact, ihrer Rede an Überzeugung fehlt, ihre Züchtigung zu empfange» von jener unbarmherzigen Geißel, als welche das Gelächter dieser Suba-tragenden Bauern auf ihr Haupt niedersaust, denn zu beurtheile« wissen sie das Alles gar wohl. Vor dem Stadt- oder Gemeiudehause (und auch anderwärts auf den öffentlichen Plätzen) stehen lange Bänke zur Bequemlichkeit des Publicums. Diese Bänke („Sessel für Barttrockner, für Spötter") sind an Wochentagen mit Gemeindebeamten und bejahrteren Honoratioren besetzt. Auch dies ist wieder eine Art Club, eine Art Trockenmühle, wo die
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
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