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Morgana ihren Zauberspuk treibt. Dies sind die Orgaue der eominunalen Verwaltung,
Civil- und Criminaljustiz, ja Statutenschaffung, die das Pnblicum für eine gewisse Zeit-
dauer erwählt.
Die unteren Beamten werden durch die Obrigkeit (den Rath) zu ihrem Dienst
entweder gemiethet oder beordert. Die „Waibel", Haiducken, Wächter, meist ausgediente
Soldaten und der ärmeren Classe entnommen, dienen für Sold. Der „Bürger", der
„Kleinrichter", der „städtische Lientnant", die, auf ihren eigenen Pferden reitend, an die
Schildknappen von einst erinnern, sind durch Gewandtheit empfohlene Sprossen wohl-
habenderer Familieu und dienen fast nur um die Ehre. Sie lasse« sich rufen, ja selbst mit
Brachialgewalt zum Dienste pressen, verstecken sich vor dem Zwang im Weingarten oder
anf der Tanya, oder gar im Walde, aber sie lassen sich doch fangen, geben klein bei,
bestellen sich die Uniform, satteln sich das Pferd, ziehen sich die flatternde Leinenhose an
und dieneu dann selbstbewußt eiu oder zwei Jahre laug. Dabei erlerne» sie die Knnst,
Obrigkeit zu sein, denn mit der Zeit werden sie ja als die „Herren Richter" zn
snngiren haben.
Das lebendige Amtsblatt für die gefammte Verwaltung ist der „Anstrommler", der
nicht nur über eine diesem Amte gewachsene Lnnge, sondern anch über die erforderliche
Autorität, ja selbst über eiu gut Theil Findigkeit und Humor verfügen mnß. Denn es ist
gar keine so leichte Sache, was der Herr Notär heute aus einer Schrift verkündet hat,
nenerdings auswendig Herznsagen, und zwar ohne jede Entstellung und namentlich ohne
stecken zu bleibe«.
Die Zwischenredeu und Randbemerkungen sind beim Straßenpublicnm ebenso gang
nnd gäbe, wie in den Parlamenten. Da muß er sofort ripostireu könne», sonst wäre
es besser, die Erde thäte sich unter ihm auf. Manchmal versteigt er sich bis zu Impro-
visationen, die ihm mit allgemeinem Beifall gelohnt werden. Znm Exempel: „Anf
Verordnung des Rathes wird verordnet, daß die zugereisten Bettler sich vom Markte
scheren sollen . . . (können doch selbst die einheimischen kaum mehr leben)". Oder: „Der
Feind ist in die Stadt eingerückt; wer ein Gewehr besitzt. . . (möge es gut verstecken,
sonst geht's ihm schlimm)!"
Aber Alles ändert sich in dieser Welt der Vergänglichkeit. Richter nnd Senatoren
verschlingt, begräbt die Lanne des Volkes, Waibel nnd Lientnante die Laune der Richter.
Sie erscheinen auf der Höhe des öffentlichen Lebens und schwinden wieder hinab; nur
eine Persönlichkeit gibt es, dem die Wogen der Veränderlichkeit sich harmlos zu Füßen
schmiege», nnd das ist der städtische Kntscher. Denn Richter und Senatoren sind jederzeit
zu habeu, so viel man ihrer nnr mag, bei den Pferden aber, da braucht es einen „Mann".
Schon zwei Pferde wollen ihren Mann haben, wie nun erst vier, denn mit weniger köuueu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch