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Zechgelage in jedem Hofe, bei Geigeilschall, denn der Zigenner geht von Hans zu Hans.
Zur Kirchweih werden keine Gäste geladen, aber jeder anständige Mensch, anch der
Fremdling, der im Hanse vorspricht, ist gern gesehen. Auch den Bnrschen aus der Fremde
wischt man in Häusern, wo es Mädchen gibt, die Stühle ab uud das zugereiste Mädchen
wieder findet Reihen von Tänzern in den ortsansässigen Bnrschen, denn die Kirchweih ist
zugleich Anlaß zur Mädchen- uud Herdfeuerschau. Schlägereien der Bursche, wovon die
Kirchweihfeste jenseits der Donau berühmt sind, kommen im Alföld selten vor. Jedes
christliche Bekenntniß hat feine Kirchweih, nur der magyarische Calvinist hat keine, aber
darum weiß er doch, was gut ist. Er besucht seine schokazischen, serbischen, deutschen
Bekannten (ösmerös, gleich dem römischen kvspes) auf ihren Kirchweihfesteu uud ladet
sie seinerseits zur Weinlese oder zu den großen Kirchenfesten ein. Und wenn er mit ihnen
in einer Gemeinde wohnt, macht er die Kirchweih ebenso gut mit, wie sein katholischer
Nachbar. Sein Thor ist ebenso offen, sein Hof ebenso voll, sein Tisch gedeckt, sein Herz
entgegenkommend. Warum sollte er sich nicht freuen, wenn sein Nebenmensch sich freut?
Er wäre ja daun keiu Uugar.
Als eine Art Kirchweih wird in manchen Alföldstädten auch der Jahresschlußtag
der Schafzüchterei, St. Demetrins, angesehen. Er ist ein Kirchtag, aber nicht von religiösem
Charakter, sondern ein reiner heiliger Bärenhäutertag zum Fröhlichsein. An diesem Tage
werden die volkreichen Schaswocheumärkte abgehalten; an diesem Tage legt der Schäfer
Rechnung uud schwitzt seine unerreichbaren Kniffe vom ganzen Jahre heraus, die er
hauptsächlich mit dem Hammelvertauschen und den gefalleneu Häuteu durchgeführt. Den
Schaden hat er natürlich nie; des Herrn Gut muß unangetastet dastehen, das seinige
aber noch mehr, das mnß nvch weit fetter sein. Es ist ein Schäfergeheimniß, daß, obwohl
sie zusammen weiden, des Schäfers Schaf dennoch besser ist, als das des Herrn. Wenn
die Verrechnung vorüber, versammelt sich die Wirthschaft znm Abendbrod (Demeter-
machen, Schafball). Der Schäfer zieht einem fetten einjährigen Lamm die Haut ab uud
kocht es uach richtiger Schäfermanier im Bogräeskeffel; dann setzt sich Alles nm den Kessel
her, der Schäfer anch, nnd da kein Weibsvolk anwesend, oder doch nnr wenig, so bleibt
auch der Krug nicht fern; er geht rechts herum, er geht links herum; ein Lied erschallt, die
Ziegennerbande nimmt es ans, nnd wie die Saiten klingen, so geht der fußbodenstampfende,
händeklatschende Männer-Werbetanz los. Gegen Mitternacht ermattet das Bein, dagegen
wird das Erz der Männerkehle laut, man spricht ein wenig von Verbäsz, und auch vou
Päkozd, lieben Orten aus der Nationalgardistenzeit. Entweder bei Pakozd oder bei
Verbäsz ist jeder von ihnen gewesen, lind wenn ein Fremder so durch das Fenster anf
diese Scene hereinblickt, kommt er plötzlich darüber ins Reine, was es heißt: „Weinend
erlnstigt sich der Magyare".
Ungar» II.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch