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Handel die erste Rangclasse in der Stadt. Heute hat es keine togatragenden Studenten
und keine Professoren in Schnallenschuhen mehr, aber darum haben doch anch seine jetzigen
Professoren ihre Ausbildung zumeist auf deutschen und englischen Universitäten erhalten
und Dank dieser Verbindung mit dem ausländischen Protestantismus ist es auch hentiges-
tags die feste Burg der vaterländischen Wissenschaft, — das calvinistische Rom.
Damit wäre denn die Geschichte Debreezins kurz skizzirt. Betrachten wir nun die
Stadt selbst und vor Allem ihre Umgebung, mit der hochberühmten Hortobagyer
Pnsz ta beginnend. Diese ganze 52.000 Joch große Fläche bildet eine einzige Hutweide,
die nur zu einem ganz geringen Theile vom Pfluge geritzt worden. Noch im XVI. Jahr-
hundert umfaßte sie die Gemarkungen und Weiden von blühenden Dörfern, wie Zäm,
Ohat, Mäta. Im Frühjahr hat sie viel Wasser, im Sommer wenig; wo sie nicht
„schwappt", ist sie dürr; das Ganze ist von der Soda beherrscht und die Vegetation der
fruchtbaren Soda üppig, die der „blinden" Soda kümmerlich.
In den alten Beschreibungen ist die Rede von Röhrichten und Seen, den Brutstätten
von Snmpfgethier, besonders Reihern. Bei großen Theißüberschwemmungen schiffte man
auf Kähnen über die Puszta und auf dem Hortobägy-Flnfse besaß die Stadt eine Mühle
mit zwei Rädern. Alles hat die Theißregnliruug beseitigt, jetzt ist fast Alles Weide, mit
Ausnahme des Pusztencommissärs, der Feldrichter und der Thierärzte nur von Hirtenvolk
bewohnt, welches den Reichthum der Stadt und ihrer Bevölkerung, deu vierfüßigeu Schatz
hütet. Nahe au 50.000 Stück Vieh weiden auf Hortobägy, darunter in 15 „Gulyas"
(Rinderherden) 15.000 Stück Hornvieh und in 9 Gestüten etwa 4000 Pferde. Dieses
Heerlager von Thieren wird von 260 Hirten bewacht.
Diese Hirten sind ein höchst lebenskräftiger Stamm, der sein Leben vom Frühjahr
bis zum Winter auf der Puszta, den Winter hindurch meist auf den Tanyas der Land-
wirthe verbringt. Von Bequemlichkeit, Verzärtelung haben sie keinen Begriff. Sie sind
abgehärtet gegen alle Unbilden der Witterung, Winter und Sommer tummeln sie sich
nnter freiem Himmel. Sie leben gut aber mäßig und trinken selten Wein, der Branntwein
hat ihr Blut noch nicht vergiftet, keinerlei Seuche erbt sich in ihren Adern fort. Niemals
haben sie sich mit fremdem Element vermischt; noch heute darf man sie als Mnster
hinstellen: so hat der Maghare vor tausend Jahren in seiner Urheimat ausgesehen. Den
Pfarrer, die Kirche sehen sie das ganze Jahr nicht nnd wissen dennoch, was Ehre und
Anstand heißt; getreu hüten sie ihrem Herrn das Vieh und lieben die Thiere, mit denen
sie gemeinsam aufgewachsen sind, sie kennen die Abstammung jedes einzelnen. Solange sie
Knechte sind, gehorchen sie; haben sie lesen und schreiben gelernt und sind zu Meisterknechten
herangealtert, so behandeln sie ihre Knechte mit billigem Sinn. Viel Wissen ist bei ihnen
nicht zu finde», obgleich sie als Kuabeu sich redlich durch die städtische Schule gesessen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch