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Beschwöruugsbuches seine Macht über sie ausübt und übermenschliche Wnnderthaten
vollbringt. Für die Gäste, die er geladen, läßt er die ganze Mahlzeit vom Tische des
Sultaus herbeischaffen, und an diesem Tage muß der Großherr huugeru. Von den dabei
befindlichen Pomerauzenbäumen können jedoch die neugierigen Damen keine Früchte
pflücken, denn kaum berühren sie dieselben, so jammern ihre betreffenden Gatten, man zerre
sie an der Nase oder am Ohre. Durch eine umgeworfene Flasche läßt er im Saale eine
förmliche Überschwemmung entstehen, so daß alle Damen auf den Bänken Zuflucht suchen
müssen. Er geht spazieren und zeichnet mit der Spitze seines Stockes einen vierspännigen
Wagen iu den Sand, dann besteigt er dieses Fuhrwerk und überholt auf demselben das
vor ihm hinsprengende Gespann des Richters. Dem Kuttenbruder, der ihn schilt, läßt er
so große Hörner wachsen, daß derselbe seinen Kopf nicht mehr durch das Fenster zurück-
ziehen kann. Er beschwört auf dem Kirchhof Todte und ringt mit dem Teufel. Dieser
findet ein besonderes Vergnügen daran, seine Studenten zu verführen, indem er Hatvanis
Gestalt annimmt und ihnen um Mitternacht Vorlesungen hält. Die Studenten beklagen
sich wegen der späten Schulstunde, und da räth ihnen Hatvani, den Saalboden mit Asche zn
bestreuen; nun erkennen sie die Spur des Pferdefußes, der sich unter Satans Kutte birgt,
und verscheuchen den Bösen durch Absingen des Liedes: „Ein' feste Burg ist unser Gott!"
Eine ganze Familie in Debreczin findet eines Tages ein unglückliches Ende: ein kleiner
Knabe ersticht sein Brüderchen, einen Säugling, und kriecht dann aus Äugst in den Ofen;
die Mutter macht darin Feuer und erhenkt sich in Verzweiflung, als sie das Schreckliche
gewahr wird; dem heimkehrenden Gatten, der seine Familie todt findet, bricht das Herz.
Im Colleginm wird nun ein Preis ausgeschrieben für deu Stndeuten, der dieses Ereigniß
durch das beste Epitaph verewigen würde. Den Preis gewinnt folgendes Distichon:
„Inkans, ut vervex, puerulus, nupta, inaritus
(üultello, tune, äolore eaäunt"
Zu deutsch:
„Gleich dein Lamme der Säugling, der Knabe, die Gattin, der Gatte
Fallen durch Messer und Glnth, fallen durch Strick und durch Schmerz."
Aber diese Verse hat dem Studenten der Teufel dictirt und nnn fordert er als Lohn dessen
Seele; Hatvani überlistet den Gottseibeiuns, indem er dem Studenten aufträgt, das Wort
,erg,8- (morgen) über seiue Thüre zu schreiben für den Teufel, wenn dieser käme, ihn zu
holeu. Ein andermal wird einer seiner Lieblingsschüler dnrch die Geister, die er mit Hilfe
des aufgeschlagen gefundenen Zauberbuches citirt hatte, in Stücke zerrissen; Hatvani setzt
die Stücke wieder zusammen und bannt einen Geist hinein, dann führt er den Schüler zum
Examen; der Geist antwortet bewunderungswürdig, wie aber ein Mitschüler hinter seinem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch