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Rücken das Wort „Gott" ausspricht, fällt die ganze Gestalt in Staub zusammen. Zuletzt
fliegt Hatvani selbst auf räthselhafte Weise in die Wolken empor. In diesem Sagenkreise
sind die Wunder der Wissenschaft mit der Zaubermacht der Magie bekleidet, das Ganze ist
recht charakteristisch für seine Entstehungszeit, in der die Wunder der Chemie und Optik
als Hexerei verrufen waren.
Jetzt enthält das Colleginm abgesonderte theologische und Rechtsakademien, eine
Lehrerbildungsanstalt und ein Gymnasium, alle nach den Erfordernissen der modernen
höheren Lehranstalten eingerichtet, die Lehrstühle mit vorzüglichen Professoren besetzt,
dabei naturwissenschaftliche uud archäologische Mnseen, eine großartige Bibliothek, ver-
schiedene Sammlungen, in den oberen Classen vierhundert Hörer, während die Zahl der
Schüler sämmtlicher Classen sich auf anderthalb Tausend beläuft. Das Internat besteht
uoch, doch ist das Colleginm kein Kloster mehr. Der „le^atus" ist ein gebildeter Mann
und der kleine Student ist kein „Mendicant" nach alter Mode mehr, auch die ,semper°-
Suppe hat sich gebessert, nur das tägliche Brod heißt noch jetzt Die zahlreichen
Beneficien ermöglichen es vielen armen Jüugliugeu, ihre Talente wissenschaftlich aus-
zubilden. Das Grundcapital des Collegiums betrug im Jahre 1745 10.000 Gulden,
gegenwärtig bereits eine Million.
Von hier ist eiue ganze Schar von Geistlichen hervorgegangen, die den resormirten
Glauben verkündeten, desgleichen von Schriftstellern, welche die ungarische Gelehrsamkeit
mit vielem Erfolge verbreiteten und unter denen sich zu Ende des XVIII. uud zu Anfang
des gegenwärtigen Jahrhunderts eine Gruppe von Dichtern bildete, welche, iu besonderer
Richtung thätig, von der ungarischen Literaturgeschichte als „Debrecziner Schule"
bezeichnet werden. Diese Schule behauptete in der Literatur, den Sprachneuereru gegenüber,
das Recht der volkstümlichen, urwüchsigen magyarischen Sprache. Aus ihr ging Michael
Fazekas hervor, der Verfasser des ZVWt^i«, und Michael Csokonai-Vitez, vor
Petöfi der volkstümlichste Dichter der Magyaren, dessen von Nikolaus Jzsö modellirte
Erzstatne im Park hinter dem Colleginm ansgestellt ist (eine der schönsten vaterländischen
Statuen, deren Kosten, 26.000 Gnlden, dnrch die Einwohner Debreezins allein bestritten
wurden; außerdem hat der Dichter noch ein gußeisernes Grabmal auf dem allgemeinen
Friedhof). Aus dieser Schule sind auch die erste ausführlichere magyarische Sprachlehre
uud die erste Botauik hervorgegangen; jene von Johann Földi verfaßt, diese von Samnel
Diöszegi und Fazekas.
Die Thätigkeit Csokonais wird in dem Abschnitt über magyarische Dichtkunst näher
zu keunzeichueu sein, hier genüge die Aufzählung der aus der Debrecziner Hochschule
hervorgegangenen, erfolgreichsten Gelehrten und Schriftsteller, und zwar haben sich außer
deu Angeführten noch Sinay, die beiden Bnday und Peczely in der Geschichte,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch