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Die Eifersucht der Consessionen hat längst aufgehört. Haben die calvinistischen
Gläubigen ihre große Kirche, ihre kleinen Kirchen, worunter die merkwürdige „Spitals-
kirche" und die iu den letzten Jahren erbaute calvinistische Kirche in der Czegled-Gasse,
so haben ihrerseits die Katholiken die zweithürmige St. Auua-Kirche und die Jsraeliteu
zwei Synagogen. Das Untergymnasium der Piaristeu steht auf gleich hoher Stufe wie die
protestantische Mittelschule. Jede Confefsion erhält ihre Schule» selbst, die Professoren
sind so zahlreich, daß sie eine eigene Gesellschaftsclasse bilden. Die Elementarschule», in
denen der Unterricht Dank der Freigebigkeit der Stadt ganz unentgeltlich ist, dringen, als
Vorposten der allgemeinen Bildung, bis in den Hortobagy hinaus. Auch die Puszta hat
deren zwei. Unter diesen ist die der Puszta Ohat bemerkenswerth mit über auderthalb-
huudert Schülern; sie ist confefsionslos. Der weiblichen Erziehung stehen eine höhere
und mehrere niedere Töchterschulen zur Verfügung. Außerdem sind zu erwähnen: die
konfessionslose Realschule, die von der Stadt erhalten wird, ferner die Fachschulen, nnd
zwar: eiue Lehrerbildungsanstalt, Gewerbeschulen, die commercielle Mittelschule, die
königliche laudwirthschastliche Lehranstalt mit ausgedehnter Musterwirthschaft, die Acker-
bau- und Ökonomieschule. Die letztere allein wird durch den Staat erhalten, die übrigen
gedeihen aus eigener Kraft der Stadt.
Die geistige Bildung ist anch die Grundlage der materielle» Wohlfahrt. In unserer
Zeit ist die Laudwirthschaft schon eine Wissenschaft, Handel und Gewerbe sind es noch
mehr. Nach den Aufzeichnungen der Chroniken waren es die von ausländischen Akademien
henngekehrte» Professoren-Candidaten, welche die Pfropfreiser der ersten edlen Obstbänme
nach Debrecziu mitbrachten. Die Spuren des Culturfortschritts sind täglich zu seheu,
sowohl in Feld-, Garten-, Waldindustrie nnd Viehzucht, als auch im Betriebe der Werk-
stätten und Fabriken. Die Enge des diesem Aufsatze zugewieseneu Raumes gestattet nns
nicht, eingehende Daten über die Thätigkeit der Gewerbetreibenden zu geben, welche
12 Procent der Einwohnerschaft Debreczins ausmachen; es genüge zu constatiren, daß,
wenn dieser oder jener Industriezweig durch Wechsel des Geschmacks oder die Eoncurrenz
billigerer Artikel unterdrückt wird, an seiner Stelle ein anderer entsteht und sich einen neuen
Markt schafft. So ist z. B. die eiust so blühende Weberindnstrie jetzt nur noch durch einen
einzigen Weber repräsentirt und neben den 800 „Stiefelmachern" (esiömackia) sind ein
paar Hundert „Schuhmacher" entstanden, die Salami-Fabricatiou dagegen
concurrirt mit der italienischen; als die ehemals berühmte Pfeifenindustrie abuahm, hob
sich die Fabrikation von Backsteinen und Töpferwaaren; die Gerberei ging zurück, die
Tischlerei hob sich. Gefördert wird die Industrie durch einen entwickelten Handelsgeist, der
Debreczin in unuuterbrochener Verbindung mit dem ganzen Lande, wie auch mit dem
Auslande erhält. Und Handel und Gewerbe beziehen, sowie die Landwirthschaft, ihr
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch