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Lebeiisblut aus gesunde» Geldinstituten, Sparcassen uud Banken. Debreczin, das vordem
in zwei Comitaten gelegen war, hat jetzt nicht nur seine selbständige Jurisdiktion, sondern
ist auch die Hauptstadt eines neu geschaffenen Comitates (Hajdu), daher zugleich Sitz der
städtischen und Comitatsverwaltnng, mehrerer Staatsämter, des Commandos der Houved-
Brigade und Wohnort einer großen Zahl von Professoren, Advocaten, Ärzten, Kaufleuten,
Technikern u. s. w. Eine zu so hoher Bildungsstufe gelaugte Gesellschaftsclasse hält natürlich
auch in ihren Unterhaltungen und Institutionen gleichen Schritt mit den großstädtischen
Vorbildern, und so hat denn Debreczin sein Casino, einige Lesevereine, mehrere wohlthätige
Vereine, eine Handels- nnd Gewerbekammer, einen Gartenbauvereiu, Musikvereiu, Theater-
verein, Rennverein, eine Schützengesellschaft und eine Advocatenkammer. Der Fortschritt
von Comfort und gutem Geschmack zeigt sich unter Anderem in der prächtigen neuen
Szikoray'schen Badeanstalt mit elektrischer Beleuchtung, mit der sich wenige im Lande, ja
in der ganzen Monarchie messen können, nnd in den ganz auf europäischem Niveau
stehenden Hotels. Debreczin entsendet drei Abgeordnete in den Reichstag. Auch ist die
Stadt der ständige Bischofssitz des reformirten Kirchendistrictes jenseits der Theiß (das
Hans des Bischofs steht auf dem Hauptplatze neben der Domkirche) und überdies wählt
ihre reformirte Kirche vier ordentliche Seelsorger.
So finden sich in Debreczin uralte Überlieferungen und die Errnngenfchaften der
Neuzeit dicht nebeneinander: die knarrende Trockenmühle neben der mit reichen Dividenden
gesegneten Dampfmühle, das mit der Hane des „Stiefelmachers" bearbeitete Kukuruzfeld
neben der Mnsterwirthschaft, welche alle Culturpflanzeu hervorbringt, der Weingarten des
Sandbodens, der nnr saueres Gewächs erzengt, neben der französischen Feinobstgärtnerei,
das Vollblutgestüt und der Karrengaul, der nicht ,16- (Pferd), sondern im Dialect
heißt, der ,pere»rinus«, der Winkelschreiber und das Mitglied der Akademie, der Groß-
händler nnd der Roßkamm, die Höhen und die Tiefen der ungarischen Gesellschaft, die
aber in jedem Blutstropfen magyarisch und selbstgemacht ist. Was in ihr gefallfam und was
rauh ist, das hat sich Alles aus dem einen unvermischten magyarischen Element entwickelt.
Dieses urwüchsige, kerumagyarische Volk lebt noch besonders in gewissen Debreeziner
Charakterfiguren. Wir lassen die wissenschaftlich gebildete Classe beiseite, welche sich weder
durch ihre Cultur, noch dnrch Tracht oder Lebensweise im Geringsten von der der andern
großen Städte Ungarns unterscheidet nnd überaus zahlreich ist; nur die volksthümlichen
Figuren solleu uns hier beschäftigen.
Allen voran schreitet der „Civis-Bürger" von Debreczin (wie er sich gerne nennen
läßt), der Herr des Hauses und der Außenbesitzungen. Er ist eine stämmige, in der Taille
kräftige Gestalt, in der Jugend schlank und stramm gewachsen, das Angesicht ernst, nicht
immer zum Lacheu geneigt, sein gerundetes Wesen kommt nur vom guteil Lebe»; was er
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch