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sich von Jahr zu Jahr und der überflüssige Raum ist in Küchen- oder Kleegärten ver-
wandelt. Das Haus des mäßig Begüterten besteht gewöhnlich aus drei Räumlichkeiten,
nämlich zwei Stuben an den beiden Enden des Hauses und einer in der Mitte befindlichen
Küche, deren Wände mit bunten Tellern, Töpfen. Näpfen, Löffeln und anderen Geräthen
dieser Art in zierlicher Ordnung behängen sind. Die eine Stube wird in der Regel nicht
benützt und öffnet sich selbst den Familienmitgliedern nnr bei gewissen festlichen Anlässe»,
etwa wenn Honoratioren als Gäste einkehren oder ein Namenstag, eine Hochzeit, ein
Schweineschlachten nud dergleichen stattfindet. Es kann aber auch nicht Wunder nehmen,
daß diese Stube meistens geschlossen ist, denn sie ist so recht die Schatzkammer der Hansfrau;
da häuft sie die Schätze aus, die sie am eifersüchtigsten hütet und mit ängstlicher Vorliebe
hegt, nämlich ihre mit feinstem Gänseflaum gefüllte» strotzenden Kissen nud bauchigeu
Federbetten. Diese zu mehren, ist eine Hauptsorge ihres ganzen Lebens, nnd erst wenn
ihr aufgehäuftes Bettzeug schier bis au die Stubendecke reicht, beginnt sie sich wahrhast
glücklich zn fiihlen. So hat es auch ihre Mutter gethan und ihre Großmutter; diese habe»
für sie die Flaumeu gesammelt, und genau so sorgt sie nun für ihre Töchter. In derselben
spiegelblank gehaltenen Stnbe befindet sich noch ein anderer wohlgehüteter Schatz, die
Seife. In großen weißen Stücken ist sie aus dem Hauptbalken der Decke lang aufgereiht
und etliche alte Bücher liege» friedlich dabei. Auch die Seife darf nie ausgehen, deuu die
Qualität uud Quantität dieses Vorrathes gilt als Hauptkennzeichen nud wahres Diplom
eiuer guten Hanssran. Die andere Stube ist der eigentliche Wohnraum der Familie. Ihre
Ausstattung besteht gewöhnlich aus einige» hochgethürmten Betten, einer Lagerecke, einer
bemalte» Holzbauk, einer langen trnhenartigen Sitzlade, i» der man Kleidungsstücke nud
Lebensmittel verwahrt, ferner aus Geschirrschrank und Tisch, drei oder vier Armstühle»
»»d einer „Tulpentruhe" (mit Tulpen bemalte Truhe), welche die wichtige Aufgabe hat,
die feineren Kleidungsstücke aufzunehmen und überdies iu ihrer Schublade Baargeld,
Steuerbuch und unterschiedliche Docnmeute zu bergen. Unter dem Bett erblickt man in der
Regel eine weithalsige Kürbisflasche, welche sehr zweckmäßig als Eiermagazin dient. Auch
ein Spiegel hängt an der Wand, mit einer Pfauen- oder Kranichfeder gekrönt. Ebenso
wenig fehlt es an Bildern; meist sind es die Porträts der Herrscherfamilie und, je nach
der Religion des Hausherrn, Reformatoren- oder Heiligenbilder, ferner gemalte Blume»,
Husaren und dergleichen. Der Estrich der Stube ist selten genng mit Brettern belegt, es ist
der nackte Erdboden, nnr mit dem Kolben gehörig gestampft n»d dann geglättet; die
Reinheit desselben aber ist tadellos nnd mehrmals im Tage wird er mit Hilfe eines unten
durchlöcherten Topfes hübsch in Ringelmusteru mit Wasser bespritzt. Unvermeidlich ist auch
der »ugehe»erliche, he»schoberförmige Ofen, dnrch die braunen Zigennerhände des Ofen-
streichers aus Lehm künstlerisch geformt. Dieser mächtige Ban, der beinahe ein Viertel der
St»
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch